Wie das Eindämmen der Pandemie gelingen könnte |
Erst bei einer Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung könnte sich das Virus nicht mehr gut verbreiten. / Foto: Getty Images/hocus-focus
Sichere Voraussagen zur Immunität nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder nach einer Impfung zu machen, ist naturgemäß schwierig, da dieses neuartige Coronavirus erst rund ein Jahr beim Menschen vorkommt. Doch einer kürzlich veröffentlichten Studie des kalifornischen La-Jolla-Instituts für Immunologie zufolge sind bei infizierten Menschen zwei der zentralen Waffen unseres Immunsystems zumindest fünf Monate nach dem Einsetzen der Symptome einer SARS-Cov-2 Infektion noch nachweisbar: Antikörper und T-Zellen. Und das selbst bei Verläufen mit milder Symptomatik.
Auch wenn diese Studie als sogenanntes Preprint veröffentlicht und bislang noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet worden ist, ist sie mit Blick auf die mehrarmige Reaktionsweise unseres Immunsystems für Thomas Jacobs vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ermutigend.
So gebe es in dieser Studie die sogenannte sterile Immunität, die von einer hohen Zahl neutralisierender Antikörper abhänge. Wenn der Körper davon viele habe, werde ein Virus abgefangen, bevor es in Zellen eindringen könne. Entsprechende Impfstoffe würden wahrscheinlich sogar noch eine bessere Antikörper-Antwort hervorrufen als eine natürliche Infektion. Solange es genügend Antikörper gebe könne man von einer robusten, wenn nicht sogar sterilen Immunität ausgehen, so Jacobs.
Zudem sei auch die T-Zell-Antwort über mehrere Monate nachweisbar gewesen. Das lasse erwarten, dass sich die Symptomatik einer Covid-19-Erkrankung verringert, sagt Jacobs. Eine solche klinische Immunität würde dafür sorgen, dass Erkrankte beispielsweise nur Erkältungssymptome wie bei harmloseren Coronaviren bekämen. Von einer sterilen lebenslangen Schutzwirkung durch die Impfstoffe könne dagegen nicht ausgegangen werden.
Eine andere Studiengruppe hatte kürzlich berichtet, dass die T-Zellen noch sechs Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion nachweisbar sind. »Das sind vielversprechende Neuigkeiten: Wenn eine natürliche Infektion mit dem Virus eine robuste T-Zell-Antwort hervorrufen kann, bedeutet dies möglicherweise, dass ein Impfstoff dasselbe tun könnte«, kommentiert Fiona Watt, geschäftsführende Vorsitzende des britischen Medical Research Council, in einem Artikel des Fachjournals »The BMJ«.
Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund, weist darauf hin, dass man bei anderen Coronaviren, die normale Erkältungen auslösten, im Mittel ein bis anderthalb Jahre vor einer erneuten Infektion geschützt sei. Eine natürliche Infektion sei allerdings nicht mit einer Impfung vergleichbar, die Immunantwort falle nach einer Impfung effizienter aus, sagt Watzl, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist. »Die Hoffnung ist also, dass die Immunität durch die Impfstoffkandidaten deutlich länger anhält.«
Ob für eine Immunität vor allem Antikörper oder T-Zellen oder aber eine Mischung aus beiden wichtig ist, sei noch nicht zu beantworten, sagt Watzl. Immunologe Jacobs ergänzt: »Eine sterile Immunität ist vermutlich vor allem von einer hohen Zahl neutralisierender Antikörper abhängig, während die Schwere des Verlaufs mit der T-Zellen-Antwort zusammenhängt, sodass es ein ›wichtiger‹ in diesem Kontext wahrscheinlich nicht gibt.«
Mit Blick auf vulnerable Risikogruppen, etwa in Altenheimen, sei eher bedeutend, ein Vakzin zu haben, das einen sterilen Impfschutz für Pflegerinnen und Pfleger und andere Menschen biete, die intensiv mit Risikogruppen arbeiteten, sagt Jacobs. Diese müssten sich dann vermutlich häufiger impfen lassen. »Für die breite Bevölkerung würde eine klinische Immunität eher reichen.«
Zudem sei derzeit noch ungewiss, ob eine Impfung auch davor schütze, den Erreger weiterzugeben. «Bei einer hohen Antikörper-Antwort ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering», erklärt Jacobs. Bei einer klinischen Immunität könnte allerdings weiter das Risiko eines Spreadings bestehen – hier müssten weitere Studien folgen.
Insgesamt, so Immunologe Watzl, würden die Impfstoffe aber zunächst für eine Beruhigung der Situation sorgen. »Selbst, wenn der Schutz nur zwei Jahre hält, könnte nachgeimpft werden«, sagt er. »Das wäre zwar nervig, aber beherrschbar.« Und SARS-CoV-2 würde so zu einem weiteren Erreger, gegen den man regelmäßig impfen muss. »Wir hätten dann aber keine Pandemie mehr.«
Neben der Frage wie lange eine Immunität nach einer Impfung oder Infektion bestehen bleibt ist für eine wirkungsvolle Bekämpfung der Corona-Pandemie nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO zudem eine Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent nötig. Es gebe einige Studien, die zeigten, dass diese Anzahl notwendig sei, um eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, sagte die oberste Impf-Expertin der WHO, Katherine O'Brien. »So wären viele Menschen immun und würden andere schützen«, so O'Brien. Erst bei einer solchen Durchimpfungsrate könne sich das Virus nicht mehr gut verbreiten.
Doch die Zahl der geimpften Menschen alleine sei nicht der entscheidende Faktor, wie die Experten bei großen Masern-Ausbrüche in einigen afrikanischen Ländern im Vorjahr beobachten konnten. »Es geht immer darum, wo genau das Virus ist und wie groß der Schutzwall dagegen in der Gesellschaft ist«, so O'Brien. Es gebe zudem weiterhin viele ungeklärte Fragen, etwa inwiefern eine Impfung gegen SARS-CoV-2 die Schwere einer möglichen Infektion abschwächt und wie gut sie eine Übertragung des Virus verhindern kann.
»Die Impfung wird eine große Wirkung haben, aber ich denke, dass niemand die Auslöschung des Virus versprechen kann, solange wir nicht viel mehr darüber verstehen«, sagte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus appellierte erneut an die wohlhabenden Länder, die Impfungen als globales Gut zu betrachten. Nur wenn genug Geld für eine weltweite faire Verteilung des Impfstoffs und Mittel zur Bildung von medizinischer Infrastruktur vorhanden seien, könne die Pandemie nachhaltig bekämpft werden.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.