Ungewisse Zukunft: Vor allem junge Menschen verspüren in Zusammenhang mit dem Klimawandel Gefühle wie Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit und Traurigkeit. / © Getty Images/martin-dm
Der Klimawandel wird die gewohnte Tier- und Pflanzenwelt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark verändern. Extremwetterereignisse wie anhaltende Hitze, Stürme, Starkregen und Überschwemmungen werden häufiger vorkommen und an Stärke zunehmen. Nachfolgende wirtschaftliche und soziale Effekte wie steigende Lebensmittelpreise durch Dürren oder Klimafluchtbewegungen sind ebenso absehbar wie Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Schon heute beeinflussen anhaltende Hitze und ausbleibende nächtliche Abkühlung die Schlafqualität und -quantität nachhaltig. Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsleistung sinken, Arbeits- und Verkehrsunfälle treten häufiger auf. Zu beobachten ist auch eine Zunahme von aggressivem Verhalten, psychiatrischen Notfällen und des Risikos für Suizide. Besonders betroffen sind Menschen, die bereits psychische Vorerkrankungen aufweisen.
Nach dem direkten Erleben einer Naturkatastrophe ist das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) stark erhöht. Im Anschluss fördern wirtschaftliche und soziale Folgen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Depressionen und Angststörungen, die schwer ausfallen können. Wie groß das Ausmaß ist, wurde nach dem Hurrikan Katrina, der 2005 in den südöstlichen Teilen der USA massive Schäden anrichtete und viele Todesopfer forderte, gut untersucht. So berichteten in der besonders stark getroffenen Stadt New Orleans bis zu 50 Prozent der Betroffenen von Ängsten und depressiven Symptomen, 30 Prozent litten unter PTBS-Symptomen.
Neben dem Erleben direkter Auswirkungen wirkt der Klimawandel auch indirekt auf die psychische Gesundheit vieler Menschen ein. Ursache sind negative Emotionen wie Angst, Wut, Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder Verzweiflung, die bei der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel und seinen Folgen auftreten können. Auch die Ungewissheit, wie der Klimawandel das eigene Leben, das der Kinder oder Enkelkinder beeinflussen wird, kann als belastend empfunden werden und diffuse Zukunftssorgen auslösen.
Experten fassen sämtliche negative Emotionen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel auftreten können, unter dem Begriff der Klimaangst beziehungsweise Eco-Anxiety zusammen. Klimaangst ist dabei immer auf die Zukunft gerichtet und steht im Gegensatz zur sogenannten Solastalgie, die alle Gefühle des Verlustes, der Trauer und des emotionalen Distress beschreibt, die durch bereits eingetretene Umweltveränderungen oder -zerstörungen im vertrauten Lebensraum aufkommen. Extreme braucht es dafür nicht. Schon langsame, aber doch spürbare Veränderungen der gewohnten heimischen Umwelt, können bei Menschen psychische Stressreaktionen hervorrufen.
Klimaangst ist ein relativ neues Phänomen, das in vielen Aspekten noch unerforscht ist. Bekannt ist derzeit, dass sie junge Menschen oft stärker trifft als Ältere. In der Studie »Zukunft? Jugend fragen!« des Umweltbundesamtes (UBA) gaben 72 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 22 Jahren an, dass sie der Zukunft von Umwelt und Klima eher oder sehr pessimistisch entgegensehen. Ein ähnliches Bild zeichnen internationale Studien. In einer Studie der University of Bath wurden 10.000 junge Menschen in zehn verschiedenen Ländern befragt. Zwei von drei gaben an, sich traurig und ängstlich zu fühlen. Drei Viertel gaben an, die Zukunft beängstigend zu finden. Mehr als die Hälfte glaubte, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist. Fast vier von zehn jungen Menschen zögern laut der Umfrage, später Kinder zu bekommen.
Ein weiteres Ergebnis der Forscher: Je passiver Erwachsene reagieren, desto ängstlicher werden junge Menschen. 84 Prozent der jungen Menschen fühlten sich zurückgewiesen, wenn sie über den Klimawandel sprechen wollen. Die Mehrheit fühlte sich von ihren Regierungen betrogen, weil diese in ihren Augen nicht genug unternehmen, um die Erderwärmung zu stoppen. Deutlich wurde außerdem, dass die Klimaangst der Befragten und die Ernsthaftigkeit, mit der die Regierungen in den Augen der Befragten die Klimakrise angingen, zusammenhingen. Je mehr sich die Teilnehmer im Stich gelassen fühlten, desto eher verspürten sie Sorgen und Stress.
Immun gegenüber Klimaangst sind aber auch ältere Menschen nicht. In einer repräsentativen Studie des Umweltbundesamtes mit 1300 Personen ab 18 Jahren gaben 53 Prozent der Befragten an, sich mental stark oder sehr stark durch den Klimawandel belastet zu fühlen. Allerdings fühlten sich nur 2 Prozent der Befragten dadurch in ihrem Alltag beeinträchtigt.
Auch wenn Klimaangst unangenehm und belastend sein kann, als psychische Erkrankung wird sie derzeit nicht eingestuft. Experten sehen sie vielmehr als eine natürliche Reaktion auf eine erwartete Bedrohungslage. So lange Ängste und Befürchtungen auf einem kontrollierbaren Level bleiben, kann Klimaangst sogar positive Effekte entfalten. Denn viele Menschen werden durch ihre Befürchtungen zu einem klimafreundlichen Verhalten motiviert.
Zudem kann man einiges tun, um einen gesunden Umgang mit Klimaangst zu finden. Konkrete Tipps und Maßnahmen wurden in dem vom Umweltbundesamt geförderten Forschungsprojekt »Mentale Auswirkungen des Klimawandels« erarbeitet. Im Mittelpunkt stehen dabei der gesunde Umgang mit den eigenen Gefühlen sowie wirksames und gemeinsames Handeln zum Beispiel durch das Engagement in Umweltgruppen. Für den schnellen Überblick wurden die Inhalte im »Ratgeber für mentale Gesundheit im Klimawandel« zu folgenden Take-Home-Messages zusammengefasst:
Manchmal kann Klimaangst jedoch auch ausgeprägte Reaktionen mit Vermeidungsverhalten, Appetitverlust, Schlaflosigkeit oder Panikattacken hervorrufen. Das wiederum kann zur Entwicklung von Depressionen und Angststörungen beitragen. Fühlen sich Betroffene mit ihren Gefühlen überfordert, kann professionelle Unterstützung hilfreich sein. Eine Anlaufstelle für Menschen mit Klimaangst ist zum Beispiel der Verein Psychologists/Psychotherapists for Future, der eine kostenfreie Beratung anbietet (Telefon: +49 6721 9498999, beratung@psychologistsforfuture.org).