Wie ein Impfstoffzusatz möglicherweise das Gehirn schützt |
Die Impfung gegen Gürtelrose scheint das Demenzrisiko zu senken. Forschende haben jetzt womöglich herausgefunden, warum. / © Adobe Stock/insta_photos
Dass eine Impfung zum Schutz vor Gürtelrose das Risiko senkt, an Alzheimer zu erkranken, haben bereits drei unabhängige epidemiologische Studien aus der jüngsten Vergangenheit nahegelegt. www.pta-forum.de/schuetzt-die-guertelrose-impfung-auch-vor-demenz-155129/ Nun hat eine Gruppe um Professor Dr. Maxime Taquet von der University of Oxford im Fachjournal »npj vaccines« veröffentlicht, dass dafür aber nicht etwa das Antigen in dem Herpes-zoster-Impfstoff (in diesem konkreten Fall Shingrix®) verantwortlich ist, sondern das dem Impfstoff beigesetzt Adjuvans AS01.
Die Forschenden kamen zu diesem Ergebnis, nachdem sie im Rahmen einer retrospektive Kohortenstudie die Patientenakten von mehr als 436.000 Teilnehmern aus dem TriNetX EHR-Netzwerk studiert hatten. Hilfreich für die Überprüfung ihrer Hypothese: Der Adjuvanskomplex AS01 ist nicht nur im Shingrix®-Impfstoff gegen Gürtelrose, sondern auch in der neueren RSV-Impfung Arexvy® enthalten.
Die Autoren verglichen dabei Personen, die nur die AS01-RSV-Impfung erhalten hatten, Personen, die nur die AS01-Zoster-Impfung erhalten hatten sowie Personen, die mit beiden Impfstoffen geimpft worden waren. Diese Kohorten wurden auf jeweils passende Kontrollgruppen abgestimmt, die ausschließlich eine Grippeimpfung erhalten hatten. Das Matching erfolgte auf 66 Kovariaten, darunter Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Komorbiditäten (inklusive neurologischer, metabolischer und autoimmuner Erkrankungen) sowie Impfverhalten. Der primäre Endpunkt war eine erstmalige Demenzdiagnose im Zeitraum von 3 bis 18 Monaten nach Impfung.
Das Ergebnis: Anhand verschiedener statistischer Methoden konnten die Forschenden zeigen, dass alle Impfungen mit Impfstoffen, die das AS01-Adjuvans enthielten, das Demenzrisiko im Vergleich zur Grippeimpfung signifikant senkten. Für die RSV-Impfung errechnete sich eine zusätzliche demenzfreie Zeit von 87 Tagen, für die Gürtelrose-Impfung von 53 Tagen und für eine kombinierte Impfung mit beiden Impfstoffen von 113 Tagen. Interessanterweise zeigte sich kein klarer additiver Effekt, wenn beide Impfstoffe kombiniert wurden. Auch das Geschlecht hatte keinen moderierenden Einfluss auf die Schutzwirkung.
Somit scheint die Wirkung der Impfungen über den bloßen Infektionsschutz hinauszugehen. Der kurze Zeitraum bis zum Wirkungseintritt (innerhalb weniger Monate) und die fehlende Additivität sprechen gegen einen rein infektionsvermittelten Effekt.
Die Tatsache, dass die Effekte nur bei Impfstoffen beobachtet wurden, die den Adjuvanskomplex AS01 enthielten, legt nahe, dass das Adjuvans eine aktive Rolle bei der Risikominimierung für Alzheimer spielt. Tatsächlich war in Tiermodellen gezeigt worden, dass die eine Komponente des Komplexes, der TLR4-Agonist Monophosphoryl-Lipid A (MPL), die Amyloid-Pathologie reduzieren könnte. Die andere Komponente, das Saponin QS-21, aktiviert synergistisch mit MPL dendritische Zellen und Makrophagen und löst eine altersunabhängige IFN-γ-Kaskade aus.
Damit könnte die von dem Adjuvans induzierte Immunantwort neuroprotektiv wirken, etwa durch Reduktion der Amyloid-β-Ablagerung, die Förderung der Mikrogliaaktivität und die Modulation neuroinflammatorischer Prozesse. IFN-γ korreliert negativ mit dem kognitivem Abbau bei älteren Erwachsenen ohne Demenz, was die Hypothese stützt. Die Autoren vermuten, dass bereits eine Einzeldosis AS01 eine maximale Wirkung entfaltet, was den fehlenden Unterschied zwischen Einfach- und Doppelimpfung erklärt.
Neben der Retrospektivität und einer fehlenden Diagnosevalidierung, die nahezu immer bei dieser Studienart zu berücksichtigen sind, diskutieren die Autoren auch Limitationen wegen methodischer Unsicherheiten durch potenzielle Verzerrungsfaktoren. So wurde die RSV-Impfung teils mit Abrysvo® (ohne AS01) codiert, wodurch die Schutzwirkung von Arexvy® unterschätzt worden sein könnte. Eine Subgruppenanalyse ergab jedoch, dass circa 76 Prozent der RSV-geimpften Kohorte tatsächlich Arexvy® erhielten.
Um die Hypothese weiter zu erhärten, sind nun klinische Studien zur direkten Bewertung immunmodulatorischer Adjuvanzien in der Alzheimer-Prävention dringend geboten.