Wie gefährlich ist das Virus? |
Verena Schmidt |
17.06.2022 13:00 Uhr |
Eigentlich ein Fehlwirt, sind Affen dennoch die Namensgeber für das Virus. Affenpockenviren wurden 1958 erstmals bei Javaneraffen nachgewiesen. / Foto: Getty Images/Anup Shah
Alles begann im Mai mit einem ersten Fall von Affenpocken in Großbritannien, vermutlich eingeschleppt aus Nigeria. Nach und nach meldeten immer mehr Länder Verdachtsfälle und schließlich auch Infektionen. In Deutschland sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) mit Stand 14. Juni rund 230 Infektionen mit dem Affenpockenvirus bestätigt.
Ein solcher Ausbruch in mehreren westlichen Ländern gleichzeitig gilt Experten zufolge als ungewöhnlich. Eigentlich ist das Affenpockenvirus (Monkeypoxvirus, MPV) in West- und Zentralafrika heimisch. Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name. Vermutlich verbreitet sich der Erreger aber eigentlich hauptsächlich über Hörnchen und Nagetiere, Affen und auch Menschen gelten als Fehlwirte.
Wer sich mit dem Affenpockenvirus infiziert, leidet mitunter unter plötzlich auftretendem Fieber, starken Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten und Lymphknotenschwellungen. Typisch ist auch ein pockentypischer Hautausschlag, der im Gesicht beginnt und dann auf den Körper übergeht. Das RKI weist darauf hin, dass der Ausschlag in bestimmten Phasen der Erkrankung Windpocken oder Syphilis ähneln kann. Die Hautveränderungen durchlaufen die Stadien Macula, Papula, Vesicula und Pustula, verkrusteten dann, und die Krusten fallen schließlich ab. Es können dauerhaft Narben zurückbleiben, in seltenen Fällen kann die Infektion auch zur Erblindung führen.
Die westafrikanische Variante des Affenpockenvirus, die gerade kursiert, gilt als recht mild. Die Erkrankung verläuft in der Regel leicht, es sind aber auch schwerwiegende Verläufe möglich. Die Sterblichkeit wird mit etwa 3 Prozent angegeben; bei der aggressiveren zentralafrikanischen Variante liegt sie bei etwa 10 Prozent. Die früher verbreitete Pockenkrankheit, die seit 1980 als ausgerottet gilt, geht auf einen ähnlichen Erreger zurück. Die Pocken, auch Blattern oder Variola genannt, waren allerdings deutlich gefährlicher: Bis zu 30 Prozent der Infizierten verstarben.
Bei dem aktuellen Affenpocken-Ausbruch sind scheinbar überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, Männer betroffen, die Sexualkontakte mit anderen Männern hatten. Laut RKI erfolgt die Übertragung des Affenpocken-Virus von Mensch zu Mensch in der Regel durch engen Haut- beziehungsweise Schleimhautkontakt mit infektiösem Material aus den Hautläsionen einer infizierten Person. Seltener könne der Erreger auch »durch respiratorische Tröpfchen oder Sekrete zum Beispiel bei längerem Kontakt von Angesicht zu Angesicht oder durch kontaminierte Gegenstände und Oberflächen« erfolgen. Ob das Virus auch sexuell übertragen werde, also über Sperma oder Vaginalsekret, ist dem RKI zufolge noch nicht abschließend geklärt. Häufige Ansteckungsquellen in Afrika sind auch der Kontakt mit infizierten Tieren, tierischem Blut und Sekreten und das Essen von infiziertem Affenfleisch.
Die Therapie erfolgt laut RKI in erster Linie symptomatisch und supportiv. Wichtig sei es, bakterielle Superinfektionen zu vermeiden. Es gibt allerdings auch einen antiviralen Wirkstoff: Tecovirimat ist seit Januar 2022 in der EU zugelassen und kann neben Pocken und Kuhpocken auch bei Affenpocken zum Einsatz kommen, und zwar bei Erwachsenen und Kindern mit einem Körpergewicht von mindestens 13 kg.
Für die Allgemeinbevölkerung ist die Gefahr einer Infektion Experten zufolge eher gering. Für Kontaktpersonen von Affenpockenpatienten und für Personen mit hohem Expositionsrisiko empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI aber eine Impfung als Postexpositionsprophylaxe.
Der »alte« Pockenimpfstoff, von dem die Bundesregierung wohl noch etwa 100 Millionen Dosen eingelagert hat, ist aufgrund vieler Nebenwirkungen dafür nicht geeignet. Besser verträglich ist der neuere Impfstoff Imvanex® von der deutsch-dänischen Firma Bavarian Nordic. Er ist seit 2013 für Erwachsene in der EU zugelassen – zwar nur gegen die Pocken, er kann aber auch zum Schutz vor den Affenpocken eingesetzt werden. In den USA und Kanada hat der Hersteller auch eine Zulassung für die Affenpocken-Impfung.
Es handelt sich bei Imvanex um eine Lebendimpfung. Dessen Impfvirus ist allerdings so verändert, dass es sich im Menschen nicht vermehren und keine Erkrankung auslösen kann. Bei der damaligen Pockenimpfung waren die Impfviren replikationsfähig; sie vermehrten sich verstärkt an der Einstichstelle am Oberarm und erzeugten eine Hautläsion – daraus bildete sich die charakteristische Narbe der Pockenimpfung. Es war auch möglich, dass sich das Impfvirus in andere Regionen des Körpers verbreitete oder auf Kontaktpersonen übertragen wurde. Dieses Risiko besteht bei Imvanex nicht, heißt es auf der Informationsseite der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Laut STIKO soll Imvanex als Postexpositionsprophylaxe so früh wie möglich bis zu 14 Tage nach Exposition verimpft werden. Als Risikokontakte gelten enger körperlicher Kontakt über nicht intakte Haut oder Schleimhäute mit einer erkrankten Person, etwa sexuelle Kontakte oder durch Leben im gleichen Haushalt und längerer ungeschützter Kontakt von Angesicht zu Angesicht mit einem Abstand von unter 1 Meter. Auch Kontakt ohne ausreichende persönliche Schutzausrüstung (FFP2-Maske/medizinischer Mund-Nasenschutz, Handschuhe, Schutzkittel) zu einer Person mit einer bestätigten Affenpocken-Erkrankung, ihren Körperflüssigkeiten oder zu kontaminiertem potenziell infektiösen Material ist eine Indikation für die Impfung.
Als Indikationsimpfung, also als Schutzimpfung ohne vorherigen Kontakt zu einer infizierten Person, empfiehlt die STIKO die Impfung für Männer, die gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern haben. Auch Personal in Speziallaboratorien, die in Kontakt mit infektiösem Material kommen kann, kann sich vorsorglich impfen lassen.
Für die Grundimmunisierung sind zwei Impfstoffdosen im Abstand von mehr als 28 Tagen nötig. Bei Menschen, die früher bereits gegen Pocken geimpft wurden – die Pflicht zur Erstimpfung galt in der Bundesrepublik bis 1976 und in der DDR bis 1982 –, reicht eine einmalige Impfstoffgabe aus.
Wer in Kontakt mit Patienten mit einer Affenpocken-Infektion kommt, sollte sich gut vor einer Ansteckung schützen. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt hierzu spezielle Hygienemaßnahmen: