Wie gefährlich ist Fencheltee? |
Caroline Wendt |
30.04.2025 08:00 Uhr |
Kinder unter vier Jahren sollten besser noch keinen Fencheltee zu trinken bekommen. / © Getty Images/RuslanDashinsky
Blähungen, Bauchweh oder Husten beim Baby: Da hilft doch Fencheltee – oder besser nicht? Bereits 2023 warnte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) vor dem im Fenchel natürlicherweise enthaltenen Estragol. In Tierversuchen zeigt dieses nämlich eine potenziell krebserzeugende und erbgutverändernde Wirkung.
Da es im Moment keine offiziellen Grenzwerte für Estragol in Lebensmitteln gibt, haben die Ökotest-Experten für ihre Untersuchungen die Werte, die die EMA für Fenchel-haltige Arzneimittel festgelegt hat, auch für Fencheltee zugrunde gelegt. Speziell Babytees wurden unter die Lupe genommen. Da die schädigende Wirkung dosisabhängig im Bezug auf das Körpergewicht ist, können die Grenzwerte bei Babys und Kleinkindern schnell überschritten werden. Für Kinder bis zu 11 Jahren empfiehlt die EMA keine Fenchel-haltigen Arzneimittel, wenn »die tägliche Aufnahme von Estragol den Richtwert von 1,0 µg/kg Körpergewicht überschreitet, es sei denn, eine Risikobewertung auf der Grundlage angemessener Sicherheitsdaten rechtfertigt dies.«
Ökotest rechnet beispielhaft mit einem 8 kg schweren Baby, das 100 ml Tee am Tag trinkt. Das Ergebnis der Ökotest-Untersuchung: Drei von den neun getesteten Tees, darunter auch von Apothekenmarken, enthalten so viel Estragol, dass die Marke von 1,0 µg/kg Körpergewicht mit 100 ml Tee überschritten wird. Auch in den anderen sechs Tees wiesen die Tester Estragol nach, jedoch nur in Spuren. Die Ökotest-Experten fordern daher, auch im Lebensmittelbereich Grenzwerte zu etablieren. Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) prüft derzeit die Sicherheit fenchelhaltiger Lebensmittel inklusive Tees, Kräuter und Gewürze. Ein Positionspapier wird im September 2025 erwartet.
Zu den Hintergründen: Estragol ist ein flüchtiges Phenylpropanoid. Dosisabhängig wird im Körper ein reaktiver Metabolit gebildet, der mit eventuell kanzerogenen und genotoxischen Folgen an die DNA bindet. Die Substanz ist in vielen verschiedenen Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen enthalten, unter anderem in Fenchel, Anis, Basilikum oder Muskat. Daher nimmt praktisch jeder Mensch eine gewisse Menge über die Nahrung zu sich; die EMA schätzt diesen Wert auf 0,5 bis 5 mg Estragol pro Tag.
Die Aufnahme ist auch regional sehr unterschiedlich und der Gehalt in den Pflanzen schwankt zudem stark. Deshalb ist die Festsetzung von Grenzwerten schwierig. Die derzeitige Empfehlung der EMA lautet, dass der Verzehr von Estragol-haltigen Kräutern und Gewürzen nicht über die gelegentliche Verwendung in der Küche hinaus erfolgen solle. So bestehe kein signifikantes Risiko, da der Metabolismus dosisabhängig ist. Gemäß der Stellungnahme der EMA ist bisher kein Anstieg des Krebsrisikos bei lebenslanger Einnahme Estragol-haltiger Nahrungsmittel bekannt.