Wie geht es mit dem Impfen weiter? |
Es sollte schneller gehen, doch jetzt wird einer der drei verfügbaren Impfstoffe vorläufig nicht mehr verimpft. Was ist passiert und was bedeutet das für den erhofften »Impfturbo«? / Foto: Adobe Stock/ink drop
Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) meldete sich am Mittag des 15. März mit einer entsprechenden Empfehlung, wie Spahn erläuterte. Hintergrund seien sieben in Deutschland gemeldete Fälle von Thrombosen der Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen stünden – bei inzwischen mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit Astra-Zeneca. Der Tragweite dieser Entscheidung sei er sich sehr bewusst, so der Minister. Leicht gefallen sei sie ihm nicht. Es gehe aber klar um eine fachliche und keine politische Entscheidung. Daher folge er der Empfehlung des PEI. Und am wichtigsten für das Vertrauen in Impfungen sei Transparenz.
Wie das PEI erklärt, zeigte die Analyse neuer Daten eine auffällige Häufung einer speziellen Form sehr seltener Thrombosen in Hirnvenen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen in zeitlicher Nähe zu Astra-Zeneca-Impfungen.
Die sieben Fälle dieser speziellen Thrombose haben laut PEI Menschen zwischen etwa 20 und 50 Jahren betroffen. Sechs davon hätten eine sogenannte Sinusvenen-Thrombose gehabt, alles Frauen in jüngerem bis mittlerem Alter. Ein weiterer Fall mit Hirnblutungen bei Mangel an Blutplättchen sei medizinisch sehr vergleichbar gewesen. »Alle Fälle traten zwischen 4 und 16 Tagen nach der Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Astrazeneca auf.«. Drei der sieben Betroffenen seien verstorben.
Von den schwerwiegenden Hirnvenen-Thrombosen mit Blutplättchenmangel sei nicht die Altersgruppe betroffen, die ein hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Covid-19-Verlauf habe. Betroffen seien nicht Senioren, sondern Menschen in jüngerem bis mittlerem Alter.
Bei Hirnvenen-Thrombosen kommt es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel. Zentrales Symptom sind Kopfschmerzen. Daneben können bei Erkrankten etwa epileptische Anfälle, Lähmungen oder Sprachstörungen auftreten. Die Erkrankung tritt selten auf. Die große Mehrheit der Betroffenen sind Frauen unter 50 Jahren.
Ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) führt zu einer erhöhten Blutungsneigung. Er tritt auf, wenn zu wenig Blutplättchen gebildet, zu viele abgebaut oder sie falsch verteilt werden. Mögliche Ursachen dafür können etwa Infekte, Vitaminmangel, genetische Veranlagungen oder die Einnahme von Medikamenten sein. Als Symptome treten punktförmige Einblutungen in die Haut oder Schleimhäute auf, gelegentlich auch starkes Nasenbluten. Es gibt sehr seltene Situationen, in denen beide Ereignisse auftreten.
Der vorgesehene Impf-Fahrplan liegt erst einmal auf Eis, bis die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) die Sache geprüft hat. Ihr Sicherheitsausschuss will am Donnerstag, den 18. März, entscheiden, wie die EMA mitteilte. Schon an die Länder ausgelieferte Dosen sollen zunächst dort bleiben, anstehende weitere Lieferungen will der Bund vorerst in seinem Zentrallager lassen und nicht weiterverteilen.
Bislang hat die EMA hat keinen Zusammenhang zwischen Thrombose-Fällen und dem Astrazeneca-Impfstoff festgestellt. Die Prüfung der Fälle werde aber fortgesetzt. Sie hält weiter daran fest, dass die Impfungen fortgesetzt werden könnten. Die Vorteile durch den Schutz vieler Menschen vor einer schweren Covid-19-Erkrankung seien höher einzuschätzen als die Risiken möglicher Nebenwirkungen.
Für den Fortschritt der Impfungen sollte das Mittel von Astra-Zeneca eigentlich eine immer bedeutendere Rolle spielen. Es ist leichter auch in normalen Praxen zu lagern und muss nicht so aufwendig gekühlt werden wie das Präparat von Biontech/Pfizer. Gerade erst wurde Astra-Zeneca nach neuen Studiendaten in Deutschland auch für Ältere empfohlen und nicht nur wie beim Start nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Und bis Ende März sollen mehr als zwei Millionen frische Dosen hinzukommen. Allerdings sollen auch die Mengen der anderen Impfstoffe vor allem von Biontech/Pfizer und Moderna stark hochgehen. Bei den bislang in Deutschland verabreichten Dosen macht der Impfstoff von Astra-Zeneca einen Anteil von 17 Prozent aus.
Wie hart der Dämpfer für den Impf-Fortschritt ausfallen wird, ist ungewiss. Und zwar auch für die Zusicherung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), allen Bürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September eine Impfung anbieten zu können – das stand ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass Lieferungen und Zulassungen wie geplant kommen.
Der für morgen angesetzte Impfgipfel, bei dem Bund und Länder Entscheidungen für einen Impfstart in Arztpraxen besprechen wollten, wurde nun verschoben, bis eine Entscheidung der EMA zum weiteren Umgang mit Astrazeneca vorliegt, wie ein Sprecher der Bundesregierung heute mitteilte.
Noch läuft es so: Wer die erste Spritze mit Astra-Zeneca-Impfstoff erhält, bekommt auch die zweite von Astra-Zeneca. Theoretisch wäre es auch möglich, verschiedene Impfstoffe zu spritzen – das wäre Experten zufolge immunologisch wahrscheinlich kein Problem. Jedoch liegen zu einer solchen Mischung keine Studiendaten vor, auch eine Zulassung gibt es nicht. Der vorläufige Stopp dürfte aber zunächst kaum für Probleme bei der zweiten Dosis sorgen, sofern er nicht länger dauert: Zwischen Erst- und Zweitimpfung sollen bei Astra-Zeneca möglichst zwölf Wochen liegen, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO).
Nach Daten des RKI von dieser Woche haben bisher gut 1,6 Millionen Menschen in Deutschland eine Erstimpfung mit dem Impfstoff von Astra-Zeneca erhalten – bei vielen ist noch Zeit, bis die zweite Dosis ansteht. Eine Zweitimpfung mit Astra-Zeneca erhielten bisher erst 217 Menschen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.