Wie gesund sind glutenfreie Produkte? |
Katja Egermeier |
13.03.2023 16:00 Uhr |
Vor allem bei glutenfreien Nudeln hat sich die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe in den letzten zehn Jahren stark verändert. Dennoch werden sie von Experten als nicht gleichwertig zu glutenhaltigen Varianten angesehen. / Foto: Getty Images/d3sign
Glutenfreie Lebensmittel werden inzwischen nicht nur von Patienten mit Zöliakie, einer Glutenunverträglichkeit, konsumiert. Einem Hype gleich versprechen sich inzwischen viele Menschen eine allgemein bessere Gesundheit, weniger Gewicht oder eine schönere Haut. Diese Effekte konnten Forschende um Studienautor Jonatan Miranda-Gómez von der Universität des Baskenlandes jedoch nicht bestätigten. Das im Fachjournal »Foods« veröffentliche Ergebnis ihrer neuen Studie weist stattdessen auf das Gegenteil hin: Glutenfreie Produkte können zu einer unausgewogenen Ernährung beitragen, da sie oft weniger Protein und mehr Kohlenhydrate und Salz als glutenhaltige Varianten enthalten.
Das Hauptziel der Studie war es, die Entwicklung von glutenfreien Lebensmitteln in den letzten neun Jahren zu betrachten sowie die Nährwerte von 104 derzeit in Spanien vermarkteten glutenfreien Produkten zu bewerten und mit ihren glutenhaltigen Gegenstücken zu vergleichen.
Dass viele der glutenfreien Produkte mehr schädliche Fettsäuren und Salz sowie weniger Ballaststoffe und Protein enthielten als glutenhaltige, hatte das Team bereits 2013 festgestellt. Bei der neuerlichen Untersuchung nun sei die Qualität der Lebensmittel zwar verbessert worden, doch seien immer noch deutliche Unterschiede im Vergleich zu glutenhaltigen Lebensmitteln zu erkennen. Die größten Veränderungen seien bei glutenfreien Nudeln zu erkennen gewesen, die mittlerweile aufgrund anderer Zutaten weniger gesättigte Fettsäuren, einfache Kohlenhydrate und Salz, aber auch weniger Protein und Ballaststoffe enthalten.
»Der glutenfreien Ernährung werden bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Die Daten zeigen aber, dass glutenfreie Produkte nicht gesünder sind«, so Gómez in einer Pressemitteilung der Universität. Glutenfreie Produkte führten zu einer proteinärmeren und kohlenhydratreicheren Ernährung. »Sie können nicht als ernährungsphysiologisch gleichwertig mit ihren glutenhaltigen Gegenstücken angesehen werden.«
Im Gegenteil sind sich viele Ernährungswissenschaftler einig, dass eine medizinisch nicht begründete glutenfreie Kost sogar erhebliche Nachteile bringen kann: Durch die modifizierte Ballaststoffzusammensetzung steigt das Risiko für Obstipation, Fettstoffwechselstörungen und eine bakterielle Fehlbesiedlung des Darms. Dazu kommen oft deutliche Mehrkosten für glutenfreie Produkte sowie eine potenziell höhere Schwermetallbelastung. Und: Eine »selbstverordnete« Glutenkarenz kann die Diagnose einer Zöliakie verschleiern.
Zukünftig wollen die Forschenden noch einen weiteren Aspekt der glutenfreien Ernährung untersuchen. So heißt es in der Pressemitteilung der Universität: »Wir wollen herausfinden, wie sich glutenfreie Lebensmittel auf die Umwelt auswirken. Sie haben tendenziell eine größere Wirkung als der Rest, weil zum Beispiel einige Zutaten aus dem Ausland importiert werden müssen. Diese Auswirkungen müssten reduziert werden.«
An einer nachgewiesenen Zöliakie leiden etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung. Die chronisch-entzündliche Dünndarmerkrankung beruht auf einer fehlgerichteten Immunantwort auf das Klebereiweiß Gluten, das in Getreidesorten wie Weizen, Dinkel und Roggen vorkommt. Sie weist sowohl Merkmale einer Allergie als auch einer Autoimmunerkrankung auf.
Durch glutenhaltige Getreide wie Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste oder Roggen kommt es bei den Betroffenen zu einer Zerstörung der Darmzotten, was zu einer Maldigestion und zu systemischen Komplikationen führen kann. Mögliche Symptome sind Bauchschmerzen und chronische Durchfälle, Fettstühle oder Obstipation, aber auch Gewichtsverlust, Leberwerterhöhungen, Müdigkeit, Depressionen und Wachstumsstörungen bei Kindern. Zur Linderung der Symptomatik können Betroffene lediglich auf Gluten verzichten, eine gezielte Therapie gibt es bislang nicht.
Von der Zöliakie zu unterscheiden ist die IgE-vermittelte Weizenallergie, die durch unterschiedliche Eiweißbestandteile ausgelöst werden kann – etwa Gluten, Weizen-Albumin oder Globulin. Eine relativ neue Sonderform ist zudem die weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (wheat dependent excercise induced anaphylaxis, WDEIA). Hier treten die Beschwerden, die bis zu einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock reichen können, nach dem Verzehr von Weizen in Kombination mit Triggerfaktoren wie Sport, Alkohol oder Arzneimitteln auf.