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Pflanzliche Arzneimittel

Wie gut können Phytopharmaka Infekten vorbeugen?

Viele pflanzlichen Arzneimittel haben sich zur Behandlung von respiratorischen Infekten etabliert. Ob sie sich auch zum prophylaktischen Einsatz eignen könnten, erklärt Professor Dr. Robert Fürst vom Department Pharmazie der Universität München.
Elke Wolf
20.02.2024  08:30 Uhr

»Den Begriff des pflanzlichen Antiinfektivums finde ich passend, dagegen gefällt mir die Bezeichnung ›pflanzliches Antibiotikum‹ überhaupt nicht. Ein Antibiotikum ist ein Antibiotikum und das hat einen genau definierten Wirkmechanismus. Mit pflanzlichen Präparaten sollte man sich davon klar abgrenzen. Das Besondere im Bereich der Naturstoffe im Infektionsbereich ist eben, dass sie einen breiten Ansatz haben und meist antiviral und antibakteriell wirken«, machte Professor Dr. Robert Fürst von der Pharmazeutischen Biologie der Universität München gegenüber PTA-Forum deutlich.

In-vitro-Untersuchungen belegten das antimikrobielle und antivirale Potenzial vor allem von Gerbstoffen, Senfölglykosiden und ätherischen Ölen, so der Apotheker. Senföl-haltige Zubereitungen verfügen beispielsweise über ein breites antimikrobielles Wirkspektrum. Das macht man sich in Angocin® Anti-Infekt N zunutze, einer Kombination aus den gepulverten Drogen Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel. Es wird zur Prophylaxe von immer wiederkehrenden unkomplizierten Harnwegs- und Atemwegsinfekten eingesetzt. Die enthaltenen organischen Isothiocyanate dürften daran einen erheblichen Anteil haben. Die Fixkombination verfügt über klinische Studien, was ihr eine Empfehlung in der S3-Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen eingebracht hat. Die Datenlage zu Bärentraubenblättern sei deutlich geringer, wertete der Pharmazeutische Biologe, auch wenn man dabei glaube, den Wirkmechanismus zu kennen.

Was die gepulverte Drogenmischung aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel betreffe, hat sie laut Fürst auch eine aussagekräftige Studie zur Prophylaxe von Atemwegserkrankungen vorzuweisen. »Dieses Präparat verfügt über eine wirklich ordentliche Studie mit mehreren hundert Personen, die das vorbeugende Potenzial gegen Infekte in der Erkältungssaison beweist. Danach gab es 40 Prozent weniger Erkältungen in der Verumgruppe.« Zugelassen ist Angocin Anti-Infekt für die Indikationen Bronchitis und Sinusitis, nicht dagegen zur Prophylaxe.

Nachteil des Präparates: Dadurch, dass es sich nicht um einen Extrakt, sondern um die gepulverten Drogen handelt, sind relativ viele Tabletten einzunehmen. »Hier könnte die Herstellerfirma nachlegen und zum Extrakt übergehen.« Eine HMPC-Monographie des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA zu dieser Fixkombination gibt es nicht.

Immunmodulierend

Um gegen einen Atemwegsinfekt vorzugehen, empfehlen sich laut des Phytopharmaka-Experten auch einige immunmodulierende Pflanzenextrakte. Hier sei allen voran der Extrakt von Pelargonium sidoides (Umckaloabo®) zu nennen. »Sein Wirkprinzip ist nicht auf einen Mechanismus zu reduzieren, sondern eher als synergistisches Zusammenspiel mehrerer Wirkkomponenten zu sehen. Man kann neben der antibakteriellen und antiviralen nicht nur von einer immunmodulierenden, sondern von einer immunstimulierenden Wirkkomponente sprechen.«

Zahlreiche randomisierte Doppelblindstudien bestätigen dem Pelargonium-Extrakt EPs® 7630, dass sowohl Erwachsene als auch Kinder mit akuter Bronchitis ab einem Jahr von der Einnahme profitieren. Der Spezialextrakt reduziert Hustenattacken und Sputum und verkürzt die Krankheitsdauer signifikant um 2 bis 2,5 Tage. Zudem ist der Extrakt in der Lage, die mit Infekten einhergehenden Begleiterscheinungen wie Antriebslosigkeit, Schläfrigkeit oder Appetitlosigkeit – auch Sickness Behaviour genannt - signifikant zu reduzieren. Ob das auf die immunmodulierende Wirkkomponente zurückzuführen ist, ist unklar.

»Der Spezialextrakt besitzt sehr gute Studien auch für Indikationen wie bakterielle Rhinosinusitis oder Pharyngitis – wohlgemerkt für Anwendungsgebiete, für die der Extrakt nicht zugelassen ist. Aber für die Prophylaxe hat der Pelargonium-Extrakt keine Zulassung«, informiert Fürst. Die Dosierung sollte bei täglich 60 bis 90 mg liegen und die Anwendungsdauer maximal drei Wochen betragen. Patienten mit Leberproblemen verzichten besser auf die Einnahme.

Schneller wieder fit

Eine gewisse immunmodulierende Wirkkomponente ist auch dem Sonnenhut zuzusprechen – zumindest ist aus Produkt- beziehungsweise Extrakt-spezifischen Daten eine gewisse Evidenz für das Abfangen eines Infektes zu Beginn einer Erkältung abzuleiten.

So sind die Presssäfte und die getrockneten Presssäfte aus dem frischen Kraut des Purpursonnenhuts mit einem Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) von 1,5–2,5:1 positiv zu bewerten (wie Echinacin®, Esberitox® mono, Episcorit®, Echinacea ratiopharm). Die HMPC-Monographie vergibt Echinacea purpurea herba auch einen well-established use mit Bezug auf diesen Extrakt. Alle anderen Zubereitungen wie aus E. pallidae radix oder E. angustifolia radix sind lediglich Arzneizubereitungen nach traditioneller Anwendung.

Um grippalen Infekten vorzubeugen beziehungsweise sie zu Beginn noch abzufangen, empfiehlt sich, Sonnenhut-Präparate kurzzeitig, etwa für zehn Tage, ab dem geringsten Anflug von Erkältungszeichen einzunehmen. Diese Art Stoßtherapie lasse erwarten, den Infekt ein bis zwei Tage früher überstanden zu haben, rät der Apotheker.

Zur unterstützenden Therapie viraler Erkältungskrankheiten bietet sich auch ein Trockenextrakt (DEV 4–9:1, Auszugsmittel 30 Prozent Ethanol) aus einer Mischung von vier verschiedenen pflanzlichen Drogen an, die das Immunsystem anregen: Esberitox® besteht aus dem Wurzelstock der Färberhülse (Baptisia tinctoria), den Wurzeln des Purpursonnenhuts und des Blassfarbenen Sonnenhuts und den Spitzen und Blättern des Lebensbaums (Thuja occidentalis). Esberitox® habe eine gute Studie vorzuweisen, die die Verkürzung der Infektionsdauer um ein bis zwei Tage und die Senkung der Symptomlast zeigt, führte der Experte aus. Ob die Fixkombination auch für die Prävention sinnvoll sein könnte, ist unklar, da es hierfür keine klinischen Daten gibt.

Um die ablaufenden Prozesse in der Erregerabwehr und des Immunsystems optimal zu unterstützen, ist es generell empfehlenswert, einen Pflanzenextrakt direkt bei den ersten Anzeichen eines Atemwegsinfekts einzunehmen. So zeigt etwa eine aktuelle Studie mit Soledum®, dass die Symptombelastung nachweislich geringer ist, wenn 1,8 Cineol-haltige Präparate frühzeitig eingenommen werden. Fürst: »1,8-Cineol ist die isolierte Reinsubstanz aus Eukalyptusöl. Damit ist Cineol definitionsgemäß zwar kein Phytopharmakon. Doch lassen sich die Studienergebnisse sicher auch auf andere Präparate übertragen.«

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