Wie Schlaf und Demenz zusammenhängen |
Katja Egermeier |
03.08.2022 12:30 Uhr |
Vor allem die wichtigen REM-Schlaf-Phasen werden durch eine sogenannte Schlaf-Fragmentierung (häufige Wachzustände während einer Nacht) gestört. Proteinablagerungen können dann nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden. / Foto: Adobe Stock/motortion
So können erhebliche Probleme beim Ein- und Durchschlafen einerseits ein Frühzeichen für Alzheimer oder eine andere neurodegenerative Erkrankung sein, eine Demenz umgekehrt jedoch vermehrt zu Schlafstörungen führen. »Es handelt sich um eine bidirektionale Beziehung«, so der Schlafmediziner, der die genauen Zusammenhänge zwischen Schlafqualität, Resilienz und Krankheit untersucht.
Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz sei zwar nach wie vor das Alter – ab dem 65. Lebensjahr verdoppele sich das Risiko. In systematischen Untersuchungen sei jedoch nachgewiesen worden, dass auch ein gestörter Nachtschlaf – beispielsweise mit mehreren Wachphasen unterschiedlicher Dauer – bei der Entwicklung von Alzheimer eine Rolle spielt, so Mayer. Weitere Faktoren für eine Demenzentwicklung seien genetische Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten, Zellschäden durch freie Radikale oder eine Störung der Mitochondrien.
Die gute Nachricht ist laut Mayer jedoch: Eine Verbesserung der Schlafstruktur ab einem mittleren Lebensalter, gepaart mit der Vermeidung oder Behandlung von Schlafstörungen durch eine Grunderkrankung, können zur Resilienz gegen Demenzen führen. Bei der obstruktiven Schlafapnoe sowie beim Restless-Legs-Syndrom (RLS) sei das bereits erkannt und nachgewiesen worden.
Immer mehr Erwachsene über 60 Jahre leiden an Schlafstörungen. Es klage mittlerweile rund die Hälfte dieser Altersgruppe in Deutschland über erhebliche Beeinträchtigungen beim Ein- und Durchschlafen, so der Neurologe. Mayers Ansicht nach liegt der Schlüssel zu einem gesunden Schlaf für ältere Menschen in einer individuellen Schlafhygiene, einer ausreichenden Lichtexposition sowie körperlicher Aktivität.
Verhaltensorientierte Maßnahmen zur Behandlung einer Schlafstörung stünden daher an erster Stelle: »Dazu zählen beispielsweise individuelle Regeln zur Schlafhygiene, die eine passende Schlafumgebung, die Ernährung vor der Nachtruhe oder auch feste Zubettgehzeiten definieren.« Darüber hinaus sei es gerade bei älteren Menschen wichtig, dass sie körperlich in Bewegung bleiben und ausreichend Tageslicht aufnehmen. Gegebenenfalls könne eine zusätzliche Lichttherapie verordnet werden. Für Menschen mit chronischer Insomnie sei eine kognitive Verhaltenstherapie langfristig effektiver als die Einnahme von Medikamenten.
Quelle: Ratgeber Schlafstörungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM)
Menschen, die bereits an einer Demenz erkrankt sind, haben Mayer zufolge ein fünffach erhöhtes Risiko für eine komorbide Schlafstörung in Form mehrerer Wachphasen in der Nacht. »Durch diesen fragmentierten Schlaf findet das Gehirn nicht richtig zur Ruhe.«. Die dadurch erhöhte Reizübertragung führe zu einem veränderten Schlafverhalten und langfristig zu einer Verschlechterung der kognitiven Funktionen. Das betreffe sowohl die Tiefschlafphasen als auch die Phasen des Rapid Eye Movement (REM).
Die REM-Phase sei aktuellen Erkenntnissen nach ein sehr aktiver, dem Wachzustand ähnlicher Schlaf. Er nehme im mittleren Lebensalter 20 bis 25 Prozent des Schlafes ein, im Verlauf der Nacht an Dauer zu und ist für die Stressbewältigung, Informationsverarbeitung und die Gedächtniskonsolidierung zuständig. Und genau diese Phasen werden laut Mayer durch eine Schlaf-Fragmentierung vermindert und das vorwiegend im Schlaf aktive glympathische System zur Entsorgung zellulärer Abfallstoffe im zentralen Nervensystem beeinträchtig. »Abbauprodukte wie Amyloid Plaques – Proteinablagerungen – können nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden. Sie häufen sich an und begünstigen wiederum die Demenz«, so der Neurologe.
Insgesamt sei es jedoch noch nicht möglich anhand der Art der Schlafstörung eine genaue Risikoprognose bezüglich einer Demenzentwicklung abzugeben. »Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, das wir noch wesentlich genauer untersuchen müssen.«