Wie sich Cumarine und DOAK unterscheiden |
Juliane Brüggen |
10.05.2023 12:00 Uhr |
Die Embolie ist eine lebensbedrohliche Komplikation einer Thrombose. / Foto: Getty Images/libre de droit
Thrombosen verhindern – das ist das primäre Ziel der antikoagulativen Therapie. Denn die Gerinnsel in der Blutbahn können dramatische Folgen haben. »Wenn sich in den tiefen Beinvenen ein Thrombus bildet, ablöst und sich dann in der Lungenstrombahn verfängt, erleidet der Patient eine Lungenembolie. Das ist unter Umständen eine lebensbedrohliche Komplikation«, erklärte Trenk, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Pharmakologie und Toxikologie. Lösen sich Thromben im linken Herzen oder in den großen Arterien, kann eine Hirnembolie (Schlaganfall) die Folge sein.
»Das wollen wir präventiv verhindern«, so der Apotheker. »Das große Ziel ist, Risikopatienten vorab zu identifizieren und durch eine Antikoagulation zu verhindern, dass sich Gerinnsel bilden.« Ein erhöhtes Thromboserisiko haben Patienten mit Vorhofflimmern, Patienten mit künstlichen Herzklappen oder Patienten, die bereits eine tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie hatten. Auch im Akutfall kommen Antikoagulanzien zum Einsatz, hier mit dem Ziel, den Thrombus oder Embolus aufzulösen.
Vitamin-K-Antagonisten (auch Cumarine) – wie Phenprocoumon (zum Beispiel Marcumar®) oder Warfarin (Coumadin®) – hemmen die Synthese bestimmter Gerinnungsfaktoren. Im Detail wird die »Scharfschaltung« der Faktoren verhindert. Unberührt bleibe hingegen die Aktivität der bereits vorhandenen Faktoren, wie Trenk deutlich machte: »Eine sofortige Gerinnungshemmung kann mit Vitamin-K-Antagonisten nicht erreicht werden«. Bei Neueinstellung und Dosisänderung sei deshalb eine Latenzzeit zu beachten. Diese beträgt etwa 36 bis 72 Stunden.
Trenk betonte, dass die Gerinnungsfähigkeit des Blutes unter Cumarinen nicht komplett aufgehoben wird. »Der Patient ist in keiner Weise ein sogenannter Bluter.« Mittels Vitamin-K-Gabe als Tropfen oder Infusion lässt sich die Wirkung wieder aufheben, allerdings wieder mit einer Latenzzeit: »Es dauert 18 bis 24 Stunden, bis man es am INR-Wert ablesen kann«. Ein Antidot gibt es nicht, im Notfall kommen Gerinnungsfaktor-Konzentrate zum Einsatz.
»Vitamin-K-Antagonisten sind klassische Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite«, erläuterte Trenk. Zielbereich ist meist ein INR-Wert zwischen 2,0 und 3,0. »Die Krux ist, dass wir nicht wissen, welche Dosis der Patient braucht, um in diesen therapeutischen Bereich zu kommen.« Die Dosis ist von Patient zu Patient verschieden und ändert sich mitunter auch im Laufe der Therapie. Hintergrund sind zahlreiche, potenzielle Einflussgrößen, etwa genetische Faktoren, die interaktionsanfällige Pharmakokinetik oder auch die Ernährung.
Vor allem grünes Gemüse wie Spinat, Brokkoli, Grünkohl und Salat enthalten viel Vitamin K1. Ein Verzicht ist aber laut Trenk nicht nötig: »Salat und Gemüse gehören zu einer gesunden Ernährung.« Patienten sollten dennoch auf einen gleichmäßigen Verzehr achten, damit der Vitamin-K-Spiegel nicht stark schwankt. Empfehlenswert, besonders bei vegetarischer oder veganer Ernährung, sei ein Selbstmanagement, bei dem Patienten den INR-Wert zu Hause bestimmen (zum Beispiel mit Coaguchek®) und – nach einer ärztlichen Schulung – die Dosis selbst anpassen können.
Insgesamt sei ein Nachteil der Therapie mit Cumarinen, dass die Zeit im therapeutischen Zielbereich (engl. TTR = time in therapeutic range) durchschnittlich nur bei etwa 60 Prozent liege. Die korrekte Einstellung ist aber von großer Bedeutung, um ein möglichst geringes Blutungsrisiko bei möglichst hohem Schutz vor Thromboembolien zu erreichen. So zeigte eine Studie, dass die Qualität der INR-Einstellung sich stark auf das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern auswirkte. Eine sehr schlecht eingestellte Therapie mit Warfarin (TTR ≤ 40 Prozent) erhöhte demnach das Schlaganfallrisiko sogar stärker als ein kompletter Verzicht auf Antikoagulation. »Deshalb werden direkte orale Antikoagulanzien von Fachgesellschaften bevorzugt«, erläuterte Trenk. Bei diesen Arzneistoffen ist ein INR-Monitoring nicht erforderlich.
Im Gegensatz zu Vitamin-K-Antagonisten greifen direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) – wie der Name sagt – direkt in die Gerinnungskaskade ein und hemmen bestimmte Gerinnungsfaktoren. Die Wirkstoffe mit »xa« im Namen – Rivaroxaban (Xarelto®), Apixaban (Eliquis®) und Edoxaban (Lixiana®) – hemmen den Faktor Xa. Dabigatran (Pradaxa®) hemmt Thrombin (Faktor IIa). Nach der Einnahme beobachtet man schnell einen Effekt auf die Blutgerinnung. »Das ist der riesige Unterschied zu den Vitamin-K-Anatagonisten, bei denen das System unglaublich träge ist«, meinte Trenk.
Dabigatran hat mit 3 bis 7 Prozent die schlechteste Bioverfügbarkeit der vier Wirkstoffe, Rivaroxaban – bei Einnahme zur Mahlzeit – die höchste von bis zu 100 Prozent. »Ganz wichtig für die Therapie ist der Anteil, der über die Niere unverändert ausgeschieden wird«, so Trenk. Hier liegt Dabigatran mit etwa 80 Prozent vorne. Das ist vor allem relevant für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. Um etwas über relevante Interaktionen zu erfahren, empfahl Trenk eine Übersicht des Universitätsklinikums Heidelberg. Auf der Website www.easydoac.de oder in der App »easyDOAC« können Interessierte außerdem die Dosis und Kontraindikationen der DOAK prüfen.