Wie viel Gefühl bleibt beim Küssen? |
Der Psychotherapeut Wolfgang Krüger denkt nicht, dass dem so ist. Wichtiger ist ihm zufolge die Art, wie ein Mensch lebt. »Ich denke, man sieht einer Person an, ob diese eine sinnliche Bereitschaft hat zu küssen.« Wenn jemand viele Probleme habe, angespannt und zurückhaltend sei, zeige sich das irgendwann auch in den Gesichtszügen. »Die betreffende Person wirkt schmallippig.« Eine Lippenkorrektur kann zwar optisch etwas verändern, die Lebensweise aber bleibt.
Menschen sind die einzige Spezies auf der Erde, die sich küsst. Warum wir dieses Verhalten entwickelt haben, lasse sich aus wissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig beantworten, Wolfgang Enard, Experte für evolutionäre Anthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. »Eine prominente Idee ist, dass der Kuss über die Weitergabe von Nahrung, also das Vorkauen, entstanden ist.« Außerdem gebe es die Theorie, dass Küssen die Funktion habe, Bakterien auszutauschen und dadurch das Immunsystem zu stärken.
Für plausibler hält Enard aber eine andere Theorie, die aus seiner Sicht auch erklärt, wieso Menschen sich im Gegensatz zu ihren nahen Verwandten küssen: »Bei den Schimpansen läuft die soziale Interaktion ganz viel über die Fellpflege. Man laust sich.« Beim Menschen sei das Fell aber verschwunden, und der Kuss habe sich als Überbleibsel der Fellpflege entwickelt. Egal, ob romantischer Kuss oder freundschaftlicher Kuss zur Begrüßung auf die Wange: »Es ist immer ein starkes soziales Signal.«