Wie weit die Phagentherapie fortgeschritten ist |
Schon seit etwa einem Jahrhundert werden Bakteriophagen als Mittel gegen Infektionen eingesetzt. Entdeckt wurden sie gut zehn Jahre bevor der schottische Bakterienforscher Alexander Fleming 1928 die antibiotische Wirkung des Penicillins herausfand. Ein großer Unterschied beider Bakterien-Killer: Während Antibiotika eher wie eine Massenvernichtungswaffe funktionieren, sind Phagen Auftragsmörder mit ganz bestimmtem Ziel. Sie befallen jeweils nur eine Bakterienart, sehr häufig sogar nur einen bestimmten Stamm einer Art. Das macht die Nutzung kompliziert: Für die jeweiligen Bakterienstämme eines Patienten muss zunächst der passende Phage gefunden werden. »Und meist spielt bei einer kritischen Infektion mehr als ein Stamm eine Rolle«, erklärt Holger Ziehr, Leiter der Pharmazeutischen Biotechnologie am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM).
Doch wo findet man passende Phagen, um einen bestimmten Erreger zu bekämpfen? Oft wählen Experten dafür eine ganz einfache Quelle: »Abwasser«, sagt der Phagenforscher Alexander Harms vom Biozentrum der Universität Basel. Auf Nährplatten werden zunächst die Bakterien gezüchtet, gegen die man Phagen einsetzen möchte. Auf den Bakterienrasen kommt die Wasserprobe. Ist ein das Bakterium tötender Phage dabei, entsteht ein Loch im Bakterienrasen – aus dieser Stelle wird das Virus isoliert und im Labor vermehrt. Viel mehr Aufwand also, als eine gegen viele Erreger wirkende Pille aus der Schublade zu holen. Doch die Wunderwaffe Antibiotika droht stumpf zu werden. Mehr als 30.000 Todesfälle gehen in der EU nach Schätzungen jährlich auf antibiotikaresistente Bakterien zurück. Rund 700.000 sind es nach Schätzungen weltweit. Tendenz steigend. Kann die Phagentherapie Abhilfe schaffen?
In den ehemaligen Ostblockstaaten – wo es zunächst keinen breiten Zugang zu Antibiotika gab – wurden weiter häufig Phagen genutzt. Bis heute sind Institutionen aus diesen Ländern weltweit führend, allen voran das Georgi-Eliava-Institut in Tiflis, Georgien. Andere Länder wie die USA, Belgien, Frankreich lassen die Therapieform nun wieder aufleben. Beispiele aus den USA zeigten, dass es inzwischen möglich sei, binnen zehn Tagen eine passende Phagentherapie für einen Patienten zu erstellen, sagt Christian Kühn vom Phagenzentrum in Hannover.