Wie wirksam und seriös sind Stoffwechselkuren? |
| Isabel Weinert |
| 11.11.2025 08:00 Uhr |
Es gibt Lebensphasen, in denen Menschen besonders anfällig sind für dubiose Angebote, mit »Stoffwechselkuren« doch endlich etwas für sich selbst zu tun. / © Getty Images/AIMSTOCK
PTA-Forum: Immer mehr Influencer und Influencerinnen propagieren sogenannte »Stoffwechselkuren«, bei denen Käufer bestimmte NEM einnehmen und bestimmte Essensvorgaben einhalten sollen. Welche Gefahren kann das bergen?
Riedl: Diese Angebote, bei denen in der ein oder anderen Form einzelne oder kombinierte NEM angeboten werden, werden immer wieder damit beworben, gegen bestimmte Erkrankungen helfen zu können. Das ist nicht erlaubt. Zu den nicht erlaubten, beziehungsweise irreführenden Aussagen gehören Heilungsversprechen, Heilungsaussagen wie »unterstützt die Fettverbrennung« oder »entgiftet den Körper«, aber auch vage, überzogene Gesundheits- und Abnehmversprechen wie »Fatburner« oder »schmilzt Fett«. Auch Aussagen, die suggerieren, eine normale Ernährung reiche nicht aus, zählen dazu.
Die Gefahr besteht zum Beispiel darin, dass sich Menschen von diesen Angeboten überzeugen lassen, sie – meistens für viel Geld - kaufen und davon ausgehen, die gemachten Versprechen in Bezug auf die Gesundheit würden stimmen. Zum einen werden die Menschen auf diese Weise finanziell abgezockt, zum anderen wird womöglich eine sinnvolle und notwendige ärztliche Therapie einer Erkrankung auf diese Weise verschleppt, weil Menschen dann erst später zum Arzt gehen – wenn sie feststellen, dass die angebotene »Stoffwechselkur« nichts gebracht hat.
Zudem enthalten die angepriesenen NEM oft viel zu große Mengen an Nährstoffen. Derartige Überdosierungen können gefährlich werden. Doch nicht nur das: NEM können auch verunreinigt sein und andere Substanzen als die deklarierten enthalten. Denn sie unterliegen keiner Kontrolle und brauchen nicht wie Arzneimittel ein aufwendiges Zulassungsverfahren und den Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
PTA-Forum: Warum fallen Menschen auf derartige Angebote herein?
Riedl: Es liegt zum Beispiel daran, dass bestimmte Anbieter von NEM beziehungsweise sogenannten »Stoffwechselkuren« gezielt auf Influencer und Influencerinnen setzen, die dann – selbst gut daran verdienend, etwa im Sinne eines Network-Marketings – für die Produkte werben. Dazu holen sie auch immer wieder Menschen dazu, die eine bestimmte »Kur« schon gemacht haben und begeistert von den Effekten berichten. Das zieht dann gerade bei Menschen, die zum Beispiel seit Jahren verzweifelt versuchen, Gewicht abzunehmen, oder die eine Erkrankung haben, bei der sie meinen, Methoden außerhalb der Schulmedizin könnten helfen.
Dazu gehören etwa auch Endometriose oder Schilddrüsenerkrankungen, für die Effekte durch Stoffwechselkuren von den Anbietern propagiert werden. Auch der Trick, Menschen sprechen zu lassen, die (angeblich) gute Erfahrungen mit Produkten gemacht haben, zieht oft. Die Verbraucherzantrale wies außerdem in diesem Jahr darauf hin, dass im Internet die (unzulässigen) gesundheits- beziehungsweise krankheitsbezogenen Aussagen zu Produkten häufig bei den Nutzerbewertungen stehen. Diese sind durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt und der Vertreiber der Produkte ist dafür nicht verantwortlich, sofern diese Aussagen nicht in seinem Auftrag entstanden sind. Und dann gibt es noch den Effekt, dass Menschen denken, wenn etwas teuer ist, dann muss es auch gut sein.
PTA-Forum: Die angepriesenen Wirkungen werden auf die Einnahme der NEM zurückgeführt. Warum ist es aus wissenschaftlicher Sicht falsch und auch irreführend, derartige Ursache-Wirkungsbeziehungen zu erstellen?
Riedl: Bei derartigen Kuren laufen oft nebeneinander ein Kaloriendefizit, die Menschen bewegen sich mehr, sie werden gecoacht – und nehmen die NEM. Effekte ergeben sich alleine aus dem Kaloriendefizit, der Bewegung und der Zuwendung. Zurückgeführt werden Effekte aber auf die Einnahme der NEM. Es fehlt jede wissenschaftliche Evidenz. Stattdessen wird falscherweise ein Kausalzusammenhang propagiert. Wissenschaftlich ist es unzulässig, eine direkte Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen NEM und beobachteten Veränderungen herzustellen, solange kein klarer, reproduzierbarer wissenschaftlicher Nachweis dafür existiert.
PTA-Forum: Was darf eigentlich gesagt werden in Bezug auf solche NEM und Kuren?
Riedl: Erlaubt sind nur zugelassene nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nach EU-Verordnung, genauer nach (EG) Nr. 1924/2006, und zwar wortlautgetreu.
PTA-Forum: Wie können Verbraucher und Verbraucherinnen seriöse von unseriösen Angeboten unterscheiden?
Riedl: Menschen sollten immer skeptisch werden, wenn Anbieter Wunder versprechen oder die Verbesserung und/oder Heilung von Krankheiten. Angaben wie Dosierung und Inhaltsstoffe sollten vorhanden sein, aber das spricht nicht immer für Seriosität. Um etwas über die Hersteller zu erfahren, kann man sie online im Impressum einer entsprechenden Website suchen und dann bei den Verbraucherzentralen nachschauen, ob sich dort etwas dazu findet.
Aufpassen sollte man auch immer dann, wenn völlig fachfremde Influencer oder Influencerinnen NEM anpreisen, mit oder ohne dazugehörige Stoffwechselkur. Hier gilt der alte Spruch »Schuster bleib bei deinen Leisten«, das heißt, jemand ohne medizinische oder pharmazeutische Ausbildung weiß einfach nicht, worüber er/sie spricht und gefährdet damit andere.
PTA-Forum: Um die propagierten Vorteile zu erzielen, braucht es dafür überhaupt irgendein NEM, wenn Menschen ihre Ernährung auf eine gesunde Weise umstellen?
Riedl: Meistens braucht es das nicht. Menschen in Deutschland sind oft mit Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D unterversorgt. Das kann man ärztlich abklären lassen. Andere Bedarfe haben auch Veganer, Vegetarier, Schwangere und Stillende. Schwangere sollten sich bereits vor der geplanten Schwangerschaft beim Gynäkologen zu notwendigen NEM beraten lassen. Dann gibt es noch spezielle, definierte Bedarfssituationen, in denen Menschen ein oder mehrere Vitamine oder Mineralstoffe zuführen müssen.
PTA-Forum: Was können Verbraucher und Verbraucherinnen tun, wenn sie den Verdacht haben, jemand agiert mit NEM und »Stoffwechselkuren« unseriös und irreführend?
Riedl: Man sollte die Fälle beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) melden. Bei einer solchen Meldung unterstützt auch das Tool »Checker Evi«. Auch die Verbraucherzentralen der Länder oder die »Verbraucherzentrale Bundesverband« (vzbv) sind Ansprechpartner in solchen Fällen.
PTA-Forum: Warum ist es so schwer, Quacksalbern in Sachen NEM und Ernährung, wie sie sich zuhauf auf den sozialen Medien tummeln, gesetzlich das Handwerk zu legen?
Riedl: Weil NEM keine Zulassung brauchen, ist es schwierig im Vorfeld, also vor der Markteinführung, einzuschreiten. Zudem existieren Lücken bei den Health Claims, denn viele pflanzliche Claims sind noch nicht final bewertet. Das ist eine Grauzone, in der das Marketing agieren kann. Hinzu kommt, dass in Deutschland keine einheitlichen Zuständigkeiten der Lebensmittelüberwachung und des Wettbewerbsrechts existieren. Außerdem spielt die Dynamik der Social-Media-Plattformen eine Rolle. Hier ist die Influencerwerbung allgegenwärtig. Die Plattformen verändern sich noch dazu ständig, sodass sich nicht alles schnell prüfen lässt.
PTA-Forum: Vielen Dank für das Gespräch.