Wieder besser schlafen |
Isabel Weinert |
16.04.2024 16:00 Uhr |
Wenn der nächste Tag näherrückt und Frau hat gefühlt kein Auge zugetan, kann die Angst vor der nächsten Nacht Schlaflosigkeit noch verstärken. / Foto: Adobe Stock/Basak Gurbuz Derman
Frauen in den Jahren der Menopause sind besonders von Schlafstörungen betroffen. Während in der Allgemeinbevölkerung 16 bis 24 Prozent darunter leiden, liegt die Rate bei Frauen in der peri- und Postmenopause zwischen 39 und 60 Prozent. Spätestens ab dem 50. Lebensjahr überschneiden sich bei Frauen Faktoren des allgemeinen Alterns mit geschlechtsspezifischen der Menopause. Das kann Schlafstörungen fördern.
Es ist sehr wichtig, das schlechte Ein- oder Durchschlafen, das morgens viel zu frühe Aufwachen ernst zu nehmen, denn sonst besteht die Gefahr einer chronischen Schlafstörung, die sich schlechter behandeln lässt. Zudem bringen anhaltende Schlafstörungen ein höheres Risiko für Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Depressionen mit sich.
Mit dem Älterwerden verändert sich die Schlafarchitektur. REM-Phasen als die Phasen tiefen Schlafs nehmen gegenüber den NREM-Phasen ab, und die Zeitdauer bis zum Einschlafen verlängert sich etwas. Auch die innere Uhr tickt bei Menschen höheren Lebensalters anders. Sie trennt nicht mehr haargenau zwischen Wach und Schlaf. Altersbedingt lässt auch die Melatoninproduktion nach.
Physiologische Prozesse im Rahmen des Älterwerdens spielen zu Beginn der Wechseljahre zwar noch keine maßgebliche Rolle, gewinnen jedoch in deren Verlauf an Bedeutung für den Schlaf. Zudem entwickeln sich bei älteren Menschen mehr Krankheiten, davon auch solche, die den Schlaf negativ beeinflussen können, wie etwa Diabetes, Adipositas, hoher Blutdruck oder ein Restless Leg Syndrom (RLS). Mit der steigenden Zahl an Krankheiten erhöht sich oft auch die Zahl der dagegen einzunehmenden Medikamente, darunter auch solche, die den Schlaf stören können.
Berichten Patientinnen von Schlafproblemen, fragen PTA deshalb am besten zunächst, welche Medikamente sie schon länger oder vorübergehend einnehmen beziehungsweise eingenommen haben. Wenn sich der Schlaf mit der Ersteinnahme verschlechtert hat oder mit einer Dosiserhöhung, weist das auf einen Einfluss des Arzneimittels hin.
Mitunter spielt auch eine Rolle, zu welcher Tageszeit bestimmte Medikamente zum Einsatz kommen. Das gilt zum Beispiel für Diuretika und Anticholinergika. Wer sie – mit dem Arzt abgesprochen – morgens einnimmt, kann den Einfluss auf den Schlaf verringern. Ob ein Medikament ausgetauscht werden muss, kann nur der behandelnde Arzt entscheiden.
Mit dem Beginn der Wechseljahre sinkt bei Frauen zunächst die Produktion von Progesteron in den Eierstöcken. Das bleibt nicht ohne Folgen, denn das Hormon fördert Schlaf und seelische Ausgeglichenheit. Der relative Mangel kann Probleme mit dem Durchschlafen mit sich bringen. Ein Progesteron-Präparat kann für weniger Nervosität und mehr Schlaf im ersten Drittel des Nachtschlafs sorgen.
Der Abfall an körpereigenem Estrogen führt in der Peri- und Postmenopause bei etwa 80 Prozent der Frauen zu vasomotorischen Symptomen wie Hitzewallungen und Schweißausbrüchen. Dass sie in direktem Zusammenhang mit den hormonellen Veränderungen stehen, gilt als gesichert. Für Symptome wie Schlafstörungen, depressive Verstimmung, Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, innere Unruhe, Reizbarkeit und Ängstlichkeit sei die Datenlage weniger eindeutig, schreiben die Autoren der aktuellen Leitlinie »Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen«.
Einen Grund dafür sehen die Experten darin, dass diese Symptome womöglich schwerer fassbar seien, weil es dafür keine speziell validierten Evaluationsinstrumente gibt. Sie merken auch an, dass aufgrund der Länge des perimenopausalen Übergangs und der schwankenden Prävalenz der Symptome ein streng wissenschaftlicher Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten der genannten Symptome und den hormonellen Veränderungen in der Peri- und Postmenopause schwierig sei.
Sicher ist jedoch, dass nächtliche Hitzewallungen und Schweißausbrüche den Schlaf vielfach unterbrechen können. Betroffene Frauen wachen dann triefnass auf, müssen sich umziehen und erleiden alleine dadurch Schlafeinbußen. Sind diese nächtlichen Schwitzattacken als Grund für die Schlafprobleme klar identifizierbar, ist eine Hormonersatztherapie (HRT) indiziert. Die Frequenz der Hitzewallungen pro Woche lässt sich durch jede Form der HRT um 75 Prozent reduzieren. Nehmen die Hitzewallungen ab, kann sich auch der Schlaf wieder verbessern.
Ist eine HRT nicht möglich oder nicht erwünscht, kann zwar ein Versuch gestartet werden, vasomotorische Symptome und so auch die damit verbundenen Schlafstörungen mit SSRI, SNRI, Clonidin oder Gabapentin in den Griff zu bekommen. Die Autoren der Leitlnie sind sich jedoch einig, dass diese Substanzen nicht routinemäßig als Mittel erster Wahl zum Einsatz kommen sollen.
Mit einer schwächeren Evidenz können bei vasomotorischen Beschwerden eine kognitive Verhaltenstherapie, Isoflavone und Cimicifuga-Präparate angewendet werden. Als unwahrscheinlich wird ein Nutzen gegen vasomotorische Symptome durch Sport, Tiefenentspannung und Vitamin E benannt. Gerade Sport und Entspannungsverfahren sind allerdings sehr hilfreich für körperliche Gesundheit und seelische Ausgeglichenheit auch in den Wechseljahren.
Frauen, die zwar keine Hitzewallungen haben, aber dennoch unter deutlichen Schlafstörungen leiden, die ihren Alltag beeinträchtigen, sollten individuell bei ihrem Gynäkologen fragen und besprechen, ob eine HRT in diesem Zusammenhang sinnvoll sein könnte.
Neben menopausal bedingten Hormonveränderungen treten genau in dieser Zeitspanne bei Frauen häufiger Erkrankungen der Schilddrüse auf. Mitunter untersuchen Mediziner darauf aber nicht, weil sich Symptome der Wechseljahre und solche einer Schilddrüsenerkrankung überschneiden. Aufgrund des Alters der Patientinnen werden diese Symptome dann automatisch den Wechseljahren zugeordnet.
Vermehrt entwickelt sich eine Überfunktion der Schilddrüse. Zum einen begünstigen die hormonellen Veränderungen Knoten, die autonom Schilddrüsenhormone abegben, zum anderen entsteht häufiger die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow. Die jeweils resultierende Schilddrüsenüberfunktion kann den Schlaf empfindlich stören. Auf diesen Zusammenhang kann man Frauen mit Schlafstörungen aufmerksam machen. Die Bestimmung des TSH-Wertes beim Arzt, von T3, T4 und eventuell eine Sonografie geben leicht Aufschluss über den Zustand der Schilddrüse.
Auch das Restless Leg Syndrom ist ein Schlafkiller, der bevorzugt in den Wechseljahren entsteht. In leichteren Fällen lassen sich die Beschwerden lindern, wenn man sich vor dem Schlafengehen die Beine eincremt. Hier spielt das Massieren eine Rolle. Die Beine mit kaltem Wasser abbrausen, Fußbäder oder kalte und warme Wickel können ebenfalls helfen. Zu den Medikamenten, die ein RLS verstärken können, zählen Antipsychotika, Antiemetika, Antihistaminika, Antidepressiva und Lithium.
Bevor Mediziner ein RLS medikamentös behandeln, sollen sie laut Leitlinie den Eisenstoffwechsel kontrollieren und frühzeitig eine Eisentherapie einleiten. Bewegung, Yoga sowie eine Infrarot-Lichttherapie können einen Versuch wert sein. So spät wie möglich kommen gegen ein RLS Medikamente zum Einsatz: die Dopamin-Agonisten Rotigotin, Ropirinol oder Pramipexol in der geringstmöglichen Dosierung. Off-Label kann der Arzt auch Gabapentinoid verordnen. Levodopa sollte höchstens intermittierend Anwendung finden. Als zweite Wahl stehen Opioide zur Wahl. Cannabinoiden, Magnesium und Benzodiazepinen erteilen die Leitlinien-Autoren eine Absage.
Wenn sich die Regel verabschiedet, braucht der Körper von Frauen weniger Energie in Form von Nahrung, denn der Zyklus hat täglich eine Menge verbraucht. Wer normal weiterisst, nimmt mit der Zeit automatisch zu. Ein Grund, warum Frauen in den Wechseljahren oft geradezu zuschauen können, wie sie mehr werden. Geht das in Richtung Adipositas, kann das direkt durch vermehrtes Sodbrennen oder Schlafapnoe den Schlaf stören. Aber auch indirekt ist es möglich, wenn sich nämlich ein Typ-2-Diabetes entwickelt. Diabetes kann ebenfalls Schlaf rauben, vor allem bei denjenigen, bei denen die Therapie auch das Risiko für Unterzuckerungen beinhaltet. Das ist vorwiegend bei der Behandlung mit Insulin möglich.
Weitere Gründe für Schlafstörungen gerade während der Wechseljahre können auch im Umfeld der Patientin liegen. Diese Zeit im Leben einer Frau ist oft auch eine Phase besonderer Herausforderungen. Kinder verlassen das Zuhause, Eltern brauchen mehr Aufmerksamkeit. Der eigene Körper verändert sich womöglich in nachteiliger Weise. Die eigene Endlichkeit rückt auch dadurch verstärkt ins Bewusstsein. Auch davon hängt ab, als wie beeinträchtigend die Symptome der Wechseljahre inklusive Schlafstörungen wahrgenommen werden.
Frauen tun gut daran, das soziale Netzwerk zu stärken und sich gut um sich selbst zu kümmern, ohne dabei nur noch um die eigene Person zu kreisen. Schlafstörungen in den Wechseljahren sind also ein vielschichtiges Symptom. PTA können helfen, wenn sie auf unterschiedliche mögliche Ursachen und deren Therapieoptionen aufmerksam machen und immer im Blick behalten, ob es womöglich auch ein Medikament sein kann, dass den Schlaf der Patientin (mit) beeinträchtigt.
Fezolinetant (Veoza ™) heißt ein neues Medikament für Frauen, das als selektiver Antagonist am NK3-Rezeptor die in den Wechseljahren gestörte Thermoregulation im Hypothalamus beeinflusst. Der Arzneistoff gehört zu den Sprunginnovationen, weil es sich um eine hormonfreie Therapie gegen vasomotoriosche Symptome handelt, die Frauen eine wirksame Alternative zur Hormonersatztherapie gegen Hitzewallungen und Schweißausbrüche bietet. Für Frauen, die akut gegen Brustkrebs oder andere von Estrogen abhängige Malignome behandelt werden, wird das Medikament nicht empfohlen. Für Frauen, die eine entsprechende Tumortherapie hinter sich haben, müssen Nutzen und Risiko individuell abgewogen werden.