»Wir wollen keine Apotheke light« |
Tausende Apothekerinnen und Apotheker, darunter auch PTA, haben in Stuttgart gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung demonstriert. / Foto: PZ
»Herr Minister, reden Sie mit uns und nicht über uns«, forderte Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden‐Württemberg (LAV) und erntete dafür lautstarken Applaus. Der Platz vor der Bühne auf dem Stuttgarter Schlossplatz glich einem Meer aus weißen Westen, Plakaten und Bannern. Mit Trillerpfeifen und Rasseln machten die Teilnehmenden bei sehr kühlen Temperaturen lautstark auf ihre Belange aufmerksam.
»Es muss Schluss sein mit dem Kaputtsparen, mit dem Raubbau an unseren Apotheken«, so Zambo. 400 Apotheken hätten im vergangenen Jahr geschlossen, in diesem Jahr würden es voraussichtlich 600 Apotheken sein. Den viel zitierten Slogan »Apotheken stärken. Jetzt!« dichteten die Demonstrierenden prompt um: »Apotheken sterben jetzt«, schallte es aus der Menge.
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) sowie des Bayerischen Apothekerverbands (BAV), erinnerte daran, wie die Apotheken während der Pandemie die Versorgung gesichert und immer wieder neue Aufgaben übernommen hätten. »Und was ist der Dank? Ein warmer Händedruck, aber kein Geld.« Dass zu wenig Geld für die Forderungen der Apotheken da sei, bezweifelte er.
Als »modernes Raubrittertum« bezeichnete der BAV-Chef die Retax-Praxis der Krankenkassen. Die Apotheken warnten außerdem seit Jahren vor Arzneimittellieferengpässen und stellten sich tagtäglich vor neue Herausforderungen. Die eklatante Mangellage sei in einem modernen Land wie Deutschland kaum erklärlich.
Ein Grußwort als Video-Botschaft schickte Judith Gerlach (CSU), neue Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention. Sie stellte sich hinter die Forderungen der Apothekerschaft. Die Vergütung der Apotheken müsse an die gestiegenen Kosten angepasst werden. Gerlach forderte Lauterbach auf, die Unabhängigkeit der Apotheke zu bewahren. »Bayern steht fest an der Seite der Apothekerinnen und Apotheker«, versprach Gerlach.
Stellvertretend für die PTA sprach Eva Bahn aus der Ost‐Apotheke in Neckarhausen und Technische Lehrkraft an einer PTA‐Schule in Mannheim. Die Angst vor Retaxationen habe dazu geführt, dass die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten leide. Statt sich der Beratung zu widmen, müssten PTA alle Abgabevorschriften beachten und nach legalen Alternativen bei der Abgabe suchen. Dabei hätten die Krankenkassen mit ihrer Sparpolitik die Engpässe selbst verursacht.
Den Liberalisierungsplänen aus dem BMG, die unter anderem eine PTA-Vertretung ohne anwesende Approbierte vorsehen, erteilte Bahn eine Absage: »Wir PTA und PKA, wir wollen keine Apotheke light. Wir wollen nicht arbeiten, wo es keine Rezeptur gibt, kein Labor und keinen Notdienst, das ist keine Apotheke.« Die vom Ministerium als Bürokratieabbau vorgesehenen Maßnahmen bezeichnete Bahn als »Lauterbach‘sche Mogelpackung, in der faktisch eine Leistungskürzung steckt«.
Eigentlich wollten auch die PTA-Schülerinnen der Kerschensteiner Schule kommen. Doch das zuständige Regierungspräsidium sah keine Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der Schulpflicht. Und so hat die PTA-Klasse die Demonstrierenden per Videogruß unterstützt. Darin wünschten sich die Schülerinnen, dass die Forderungen durchgesetzt würden. »Wir sind mit dem Herzen dabei.« Moderator Eickmann rief ihnen zu, sie seien das Rückgrat der deutschen Apotheken. »Ohne euch geht Versorgung nicht!«, worauf Applaus aufbrandete.
Silke Laubscher, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Baden‐Württemberg, sprach für die angestellten Approbierten. Auch diese müssten endlich von der Politik wahrgenommen werden. Auch für sie sei die Honorarerhöhung für die Apotheken wichtig, »damit unsere Arbeitsplätze erhalten bleiben und wir endlich besser bezahlt werden können«.
Die Angestellten würden sich auch geschlossen für bessere Arbeitsbedingungen in Apotheken einsetzen. Die überbordende Bürokratie belaste die Teams und bei der Bekämpfung der Lieferengpässe habe das ALBVVG »keinerlei spürbare Erleichterungen gebracht«.