Wissenslücken beim Thema HIV offenbart |
Juliane Brüggen |
02.08.2024 11:30 Uhr |
Auch im Gesundheitsbereich gibt es Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV. / Foto: Getty Images/dragana991
Um mehr über die potenzielle Diskriminierung von Personen mit HIV durch Gesundheitspersonal zu erfahren, haben das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) und die European Aids Clinical Society (EACS) im Jahr 2023 eine Umfrage in 54 Ländern Europas und Zentralasiens durchgeführt. Teilgenommen haben mehr als 18.000 Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, darunter 44 Prozent Ärzte und 22 Prozent Pflegepersonal. Die meisten arbeiteten in einem Krankenhaus (58 Prozent) und in »Primary Care«-Einrichtungen wie Hausarztpraxen (17 Prozent). Viele der Befragten hatten keinen bewussten oder wenig Kontakt mit HIV-Patienten. Nur etwa 9 Prozent betreuten im vorherigen Jahr mehr als 100 mit HIV lebende Personen.
Die Umfrage offenbarte Wissenslücken: 39 Prozent der Teilnehmenden kannten das Konzept »U=U« (engl. für undetectable = untransmittable; im Deutschen »n = n«: nicht nachweisbar = nicht übertragbar) nicht, 44 Prozent schätzten ein Statement zur Postexpositionsprophylaxe (PEP) falsch ein, 59 Prozent eine Aussage zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Ärzte und Personen, die mit einer größeren Anzahl an HIV-Patienten umgingen, hatten die besten Kenntnisse.
In der Umfrage wurden die Teilnehmenden mit drei Aussagen konfrontiert, die mit richtig oder falsch zu beantworten waren:*
Über 50 Prozent der Befragten gaben an, sich Sorgen zu machen, wenn sie Menschen mit HIV behandeln und beispielsweise Blut abnehmen oder Wunden versorgen. Etwa ein Viertel trägt zur Sicherheit doppelte Handschuhe. 8 Prozent antworteten, körperlichen Kontakt komplett zu vermeiden. Darüber hinaus lehnte es ein Anteil von 6 bis 12 Prozent ab, bestimmte Personengruppen mit HIV zu behandeln, darunter Männer, die Sex mit Männern haben, trans Personen und Personen, die intravenös Drogen konsumieren.
Die meisten Einrichtungen hatten zwar nach Angaben der Befragten Richtlinien, die vor einer HIV-Infektion schützen und eine Diskriminierung verhindern sollen. Dennoch war diskriminierendes Verhalten präsent: So hatten 22 Prozent der Teilnehmenden miterlebt, wie Behandlungen abgelehnt wurden oder Betroffene eine geringe Behandlungsqualität erhielten (18 Prozent). Etwa ein Drittel hatte diskriminierende Äußerungen wahrgenommen.
Teymur Noor, HIV-Experte des ECDC und Studienkoordinator, sieht angesichts dieser Ergebnisse dringenden Handlungsbedarf. Es brauche gezielte Interventionen, um das HIV-bedingte Stigma zu bekämpfen, das Wissen zu HIV unter Gesundheitspersonal zu verbessern und Menschen mit HIV eine gleichwertige Gesundheitsversorgung anzubieten. »Diese Probleme anzugehen ist essenziell, um das globale Ziel, die Aids-Epidemie bis 2030 zu beenden, zu erreichen«, betonte Noor.
HIV-PrEP: Eine HIV-negative Person nimmt entweder dauerhaft oder anlassbezogen ein HIV-Medikament wie Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil ein, um einer Infektion vorzubeugen.
HIV-PEP: Das HIV-Medikament wird eingenommen, nachdem ein Risikokontakt stattgefunden hat, um eine Ansteckung zu verhindern.
»U = U« beziehungsweise »n = n«: HIV-positive Menschen, die eine effektive Therapie erhalten und bei denen das HI-Virus im Blut unter der Nachweisgrenze liegt, schützen damit ihre Sexualpartner.
*Alle drei Statements sind richtig.