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FAQ zur CAR-T-Zelltherapie

Zielgerichtet gegen Tumorzellen

Bei bestimmten Formen von Blut- oder Lymphdrüsenkrebs sowie beim Multiplen Myelom ist eine CAR-T-Zelltherapie oft der letzte Ausweg für Patienten, die auf gängige Behandlungen nicht ansprechen. Aber wie genau funktioniert die CAR-T-Zelltherapie eigentlich und welche Risiken gibt es? PTA-Forum beantwortet die wichtigsten Fragen.
Verena Schmidt
22.10.2024  10:00 Uhr

Was genau ist eine CAR-T-Zelltherapie?

Die CAR-T-Zelltherapie ist eine bestimmte Art der Immuntherapie, die das köpereigene Immunsystem befähigen soll, Tumorzellen anzugreifen. Die Abkürzung »CAR« steht dabei für chimärer Antigenrezeptor. Dieser künstliche Antigenrezeptor wird aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammengebaut (chimär), dann in T-Abwehrzellen integriert und auf deren Oberfläche exprimiert. Die T-Lymphozyten werden von dem jeweiligen Patienten selbst gewonnen und im Labor gentechnisch so verändert, dass sie die Krebszellen zerstören können. Der CAR dient dabei als Lotse: Er spürt eine bestimmte Zielstruktur auf den Tumorzellen auf und dockt dann daran an.

Wie läuft die Therapie ab?

Die Behandlung mit den CAR-T-Zellen erfolgt in einem von etwa 40 speziellen, dafür qualifizierten Zentren in Deutschland. Die Behandlung beginnt mit der sogenannten Leukapherese: Dem Patienten wird Blut abgenommen, anschließend werden die weißen Blutkörperchen, die Leukozyten, herausgefiltert. Die anderen Blutbestandteile werden dem Patienten gleich wieder zugeführt.

Nun werden die Leukozyten im Labor bearbeitet: Die T-Zellen, die Teil des adaptiven Immunsystems sind, werden von den übrigen Leukozyten abgetrennt. Anschließend wird die künstlich hergestellte Erbinformation für den CAR in das Genom der T-Zelle eingebaut. Die gentechnisch veränderten T-Zellen stellen nun den CAR her und er erscheint auf der Zelloberfläche – das sind die fertigen CAR-T-Zellen.

Bevor die Betroffenen die CAR-T-Zellen per Infusion bekommen, erhalten sie noch eine Chemotherapie (in der Regel mit Cyclophosphamid und Fludarabin), um die Aktivität der Tumorzellen und des körpereigenen Immunsystem herunterzufahren und so die spätere Aufgabe für die CAR-T-Zellen zu erleichtern. Diesen Vorgang nennt man Lymphodepletion.

Die gesamte CAR-T-Zelltherapie dauert in der Regel mehrere Wochen. Alleine die Herstellung der CAR-T-Zellen nimmt bis zu fünf Wochen in Anspruch. Von der Leukapherese bis zur Rückinfusion können rund acht Wochen vergehen. In dieser Zeit erhalten die Patienten eine Überbrückungstherapie, also beispielsweise eine Chemotherapie, die stationär oder ambulant durchgeführt wird.

Nach der Infusion der CAR-T-Zellen – meist ist für das Therapieansprechen nur eine einzige Infusion nötig – bleiben die Patienten 10 bis 14 Tage im Krankenhaus. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben, um potenziell auftretende schwere Nebenwirkungen sofort behandeln zu können.

Bei welchen Erkrankungen kommen die CAR-T-Zellen zum Einsatz?

CAR-T-Zellen gelangen gut zu Tumorzellen im Blut, Knochenmark und in Lymphknoten. In der Europäischen Union sind aktuell sechs CAR-T-Zelltherapien zugelassen. Vier davon – Tisagenlecleucel, Axicabtagen-Ciloleucel, Brexucabtagen-Autoleucel und Lisocabtagen maraleucel – richten sich gegen das Oberflächenantigen CD19 auf B-Lymphozyten, die ebenfalls zu den weißen Blutkörperchen gehören und Bestandteil des Immunsystems sind. Die CAR-T-Zellen kommen daher bei verschiedenen B-Zell-Erkrankungen wie bestimmten Leukämien und Lymphomen zum Einsatz. Idecabtagen vicleucel und Ciltacabtagen autoleucel richten sich gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf Plasmazellen des Multiplen Myeloms. In klinischen Studien wird auch der Einsatz der CAR-T-Zellen gegen solide Tumoren sowie bei HIV-Infektionen und Autoimmunerkrankungen geprüft.

Aufgrund der teils schwerwiegenden Nebenwirkungen und Toxizitäten sollen CAR-T-Zelltherapien laut Zulassung nur angewendet werden, wenn zuvor mindestens zwei andere Krebstherapien nicht angeschlagen haben. Patienten, die eine CAR-T-Zelltherapie bekommen, sind also immer schon stark vorbehandelt.

Was kostet die Therapie?

Da die CAR-T-Zellen für jeden Patienten individuell hergestellt werden, sind die Kosten hoch, sie liegen etwa zwischen 250.000 und 300.000 Euro pro Infusion. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Teils werden auch Absprachen zwischen Hersteller und Kasse getroffen; bei Therapieversagen müssen die Kassen dann nur einen Teil der hohen Behandlungskosten übernehmen.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Das Spektrum an Nebenwirkungen bei der CAR-T-Zelltherapie ist groß: Möglich sind leichtes Unwohlsein bis hin zu schweren hämatologischen und immunologischen Reaktionen mit Organversagen bis hin zum Tod.

Eine der wichtigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen ist das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), das durch eine überschießende Aktivierung der CAR-T-Zellen entsteht. Dabei werden extrem viele Zytokine gebildet und freigesetzt, etwa IFN-γ, Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-2 (IL-2), diese aktivieren wiederum weitere Immunzellen. Die Makrophagen produzieren außerdem Interleukin-6, das in fast jeder Körperzelle entzündliche Reaktionen hervorrufen kann.

Das CRS kann unterschiedlich stark auftreten (Grad 1 bis 4). Innerhalb weniger Stunden oder Tage treten etwa hohes Fieber, Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall und Herz-Kreislauf-Störungen auf. Werden die Patienten nicht rechtzeitig behandelt, kann es zu Multiorganversagen bis hin zum Tod kommen. Die Betroffenen erhalten als antipyretische Therapie meist intravenös Paracetamol oder Metamizol, bei schweren Formen wird der IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab, gegebenenfalls in Kombination mit Corticosteroiden, gegeben.

Weitere typische Nebenwirkungen sind unter anderem Infusionsreaktionen, Neurotoxizität (immune effector cell associated neurotoxicity syndrome, ICANS), die sich unter anderem durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und Krampfanfälle äußern kann, CRS-abhängige Gerinnungsstörungen sowie Zytopenien (verminderte Anzahl bestimmter Zellen im Blut).

Was bringt die Zukunft?

Untersuchungen zeigen auch vielversprechende Wirkungen der CAR-T-Zelltherapie bei Autoimmunerkrankungen. Die Pionier-Forscher auf diesem Gebiet sind die Mediziner Professor Dr. Georg Schett und Professor Dr. Andreas Mackensen von der Universitätsklinik Erlangen. Sie haben seit 2021 vereinzelt Patienten mit Autoimmunerkrankungen mit CAR-T-Zellen behandelt, darunter zum Beispiel eine junge Patientin mit systemischem Lupus erythematodes sowie einen Patienten mit einer Autoimmunmyositis, einer schweren Muskelentzündung. In beiden Fällen ließen sich mit der Behandlung drastische Verbesserungen erzielen. Die zuvor schwer kranken Patienten, denen Standardtherapien nicht halfen, konnten ihre Medikamente absetzen und waren sechs Monate nach der CAR-T-Zelltherapie beschwerdefrei.

Wie lange der Effekt anhält und ob man in diesen Fällen von einer Heilung sprechen kann, ist noch unklar. Die Erlanger Mediziner haben im Februar 2024 im Rahmen einer Pilotstudie im Fachjournal »New England Journal of Medicine« insgesamt 15 Fälle vorgestellt, derzeit läuft zudem eine Studie mit 24 Probanden. Allen bisher Behandelten geht es der Uniklinik zufolge bis heute gut – sie sind gesund oder haben wesentlich weniger Beschwerden.

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