Zistrose als Fitmacher für die Abwehr? |
Enthalten Nahrungsergänzungsmittel Zistrose, dann zumeist kombiniert mit Susbtanzen, die das Immunsystem gesichert unterstützen. / © Adobe Stock/Vasilenko Dmitriy
Die Zistrose (Cistus incanus) ist in der mediterranen Region heimisch und wird seit Jahrhunderten für ihre gesundheitlichen Wirkungen geschätzt. In den letzten Jahren hat die Heilpflanze auch in Mitteleuropa an Popularität gewonnen. Verbraucher schätzen sie wegen ihrer antioxidativen, entzündungshemmenden und antiviralen Eigenschaften. Die zur Familie der Zistrosengewächse (Cistaceae) zählenden, aromatisch duftenden Sträucher haben zarte, rosa bis violett gefärbte Blüten. Der Name »Zistrose« bezieht sich auf die Ähnlichkeit ihrer rosaroten Blüten mit den Blüten der hierzulande heimischen Hundsrose. »Cistus« leitet sich vom lateinischen Wort »cista« ab, was »Kiste« oder »Kasten« bedeutet, und sagt etwas über die Form der Samenkapsel der Pflanze aus. Die heute für medizinische Zwecke interessanten Blätter sind reich an Polyphenolen, insbesondere Flavonoiden, Tanninen und ätherischen Ölen. Labdanum ist ein Harz, das aus den Blättern und Zweigen der Pflanze abgesondert wird. Es wird traditionell unter anderem zur Behandlung von Hauterkrankungen und Wunden verwendet und heute in der Kosmetikindustrie genutzt.
In Deutschland werden vor allem die Blätter und einjährigen Triebe von zwei Zistrosenarten genutzt: der graubehaarten Zistrose (Cistus x incanus L.) und der kretischen Zistrose (Cistus creticus L.). Kräutertee aus Cistus x incanus L. hat eine Zulassung als Novel Food für maximal 3 g Kraut (zwei Tassen) pro Tag. In der Volksmedizin dient er der Behandlung von Durchfall, Fieber und Hauterkrankungen. Zistrosenblätter-Tee hat einen balsamischen Geschmack und kann zum Beispiel mit Honig oder Agavensirup gesüßt werden. Kalt schmeckt er auch mit Fruchtsäften gemischt oder als Eistee.
Zistrose als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) wird in verschiedenen Formen angeboten, darunter Kapseln, Tabletten oder Pulver. Die Produkte und Tees, die auch in Apotheken erhältlich sind, werden meist aus den getrockneten Blättern der Pflanze hergestellt. Die NEM werden wegen ihres hohen Gehalts an polyphenolischen Substanzen unter anderem mit ihrer starken antioxidativen Aktivität beworben. Antioxidanzien neutralisieren freie Radikale und können Zellschäden vorbeugen. Reaktive Sauerstoffspezies sind an der Pathogenese verschiedener Krankheiten unter anderem des Herz-Kreislauf-Systems beteiligt.
In Werbeaussagen implizieren Hersteller verschiedene gesundheitlich förderliche Wirkungen. So sollen die enthaltenen Polyphenole dazu beitragen, oxidative Prozesse im Körper zu reduzieren und langfristig vor chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs schützen. Dank ihrer antiviralen Eigenschaften soll die Zistrose das Immunsystem stärken und vor allem in der Erkältungszeit vor Infektionen schützen. Die wissenschaftliche Studienlage ist allerdings eher dünn. Während einige Labor- und Tierstudien auf die positiven Wirkungen hinweisen, fehlen groß angelegte, placebokontrollierte klinische Studien, um diese Effekte am Menschen zu bestätigen.
In einer der wenigen klinischen Studie prüften Wissenschaftler die Wirkung eines Cistus-Extrakts (CYSTUS052) aus der graubehaarten Zistrose bei 160 Patienten mit Infektionen der oberen Atemwege. Eine Reihe subjektiver Symptome nahm im Verlauf der Behandlung mit dem Extrakt signifikant ab, während die Anwendung des Placebos die Symptome weniger deutlich linderte. Die mutmaßliche antivirale Wirkung konnte auch in vitro gezeigt werden. Wissenschaftler der Universität Münster untersuchten beispielsweise die Wirkung des Extrakts CYSTUS052 auf verschiedene Grippevirenstämme. Der Extrakt verhinderte laut den Forschern das Eindringen von Grippeviren in die Wirtszellen durch eine neuartige, nicht pharmakologische Wechselwirkung, was sowohl für Therapie als auch Prophylaxe interessant sein könnte.
Die antioxidative Kapazität und andere Wirkungen der Zistrose untersuchten 2021 Wissenschaftler in einer Pilotstudie mit 24 gesunden Freiwilligen. Cistus-incanus-Kräutertee verbesserte nach einer zwölfwöchigen Verabreichung das Lipidprofil der Probanden und verringerte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie oxidativen Stress.
Obwohl die Zistrose anscheinend zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzt, ist es wichtig, zwischen einem reinen NEM und einem zugelassenen Arzneimittel zu unterscheiden. NEM unterliegen in Europa der Lebensmittelgesetzgebung und nicht den sehr strengen Gesetzen für Arzneimittel. Supplemente können auf den Markt gebracht werden, solange sie als sicher gelten und den Verbraucher nicht täuschen. Nur bei Arzneimitteln ist auch die Wirksamkeit bewiesen. Es ist garantiert, dass der notwendige Gehalt an den die Wirksamkeit bestimmenden Inhaltsstoffen auch tatsächlich in jeder Charge enthalten ist. Bei NEM muss der Hersteller nicht durch chargenspezifische Prüfungen nachweisen, dass auch tatsächlich der deklarierte Gehalt in den Produkten steckt. In NEM mit Zistrose reichen die relevanten Bestandteile in ihrer Konzentration zudem möglicherweise nicht aus, um die erwünschten Wirkungen zu erzielen. Rein rechtlich und von der Definition eines NEM her dürfen sie das auch nicht. Beim Verbraucher können jedoch durch die Werbung falsche Erwartungen geweckt werden.
So wird Zistrose als NEM häufig in Produkten zur Stärkung des Immunsystems und zur Prävention von Erkältungen und Grippe eingesetzt. Den Präparaten sind meist jedoch weitere Bestandteile wie Vitamin C und/oder Zink beigefügt. Bei genauem Hinsehen sind die präventiven Wirkungen diesen oder anderen Substanzen zugeschrieben. Für Vitamin C und Zink ist es Herstellern beispielsweise offiziell erlaubt, mit der Aussage zu werben, dass sie zu einer normalen Funktion des Immunsystems beitragen. Entsprechende Health Claims genehmigt die Europäische Kommission, nachdem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Aussagen wissenschaftlich bewertet hat.
Pharmazeutische Unternehmen müssen bei Beantragung einer Zulassung die Wirksamkeit belegen und können sich dabei im Falle eines pflanzlichen Arzneimittels unter anderem auf die HMPC-Monografien beziehen. Diese Gemeinschaftsmonografien erarbeitet der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Herbal Medicinal Product Committee, HMPC). Die verabschiedeten Monografien dienen als Entscheidungsgrundlage, wenn es um die Zulassung eines pflanzlichen Arzneimittels geht. Eine solche Monografie zu Cistus creticus L. ist aktuell in Erstellung. Im Entwurf werden traditionelle pflanzliche Arzneimittel mit Citus creticus zur Linderung von Erkältungshusten beschrieben. Zur Zubereitung eines Tees sollen 10 g Kraut in 200 ml kochendem Wasser zubereitet und ein- bis dreimal täglich getrunken werden.
NEM mit Zistrose können allenfalls präventiv oder zur Unterstützung der allgemeinen Gesundheit eingesetzt werden, nicht aber kurativ. Die Zistrose kann beispielsweise unterstützend bei Erkältungssymptomen eingenommen werden, ersetzt jedoch nicht die Einnahme von geeigneten Medikamenten bei einer schweren Infektion.
Beruhigend ist, dass Präparate mit Zistrose allgemein als gut verträglich gelten. In seltenen Fällen können allergische Reaktionen auftreten, besonders bei Menschen, die empfindlich auf Pflanzen aus der Familie der Zistrosengewächse reagieren. Wegen des hohen Polyphenolgehaltes sind Wechselwirkungen mit Medikamenten nicht auszuschließen. Ein zeitlicher Abstand von mindestens einer Stunde zwischen den Einnahmen ist daher empfehlenswert. Da Zistrosen-Extrakte die Aufnahme von Eisen im Darm hemmen können, sollten Menschen mit Eisenmangel oder einer Neigung dazu die Einnahme mit ihrem Arzt besprechen. Schwangere und stillende Frauen sollten sich ebenfalls von ihrem Arzt beraten lassen, wenn sie Zistrosenprodukte einnehmen wollen.