Zu viel Cortisol im Blut |
Glucocorticoide sind aus der Therapie vieler Erkrankungen nicht wegzudenken. Doch im Übermaß können Steroidhormone auch zahlreiche körperliche Schäden anrichten. / Foto: Getty Images/Zhanna Hapanovich
Das Steroidhormon Cortisol aus der Gruppe der Glucocorticoide hat viele Funktionen im Körper. Es wirkt unter anderem entzündungshemmend und aktiviert den Stoffwechsel. Ist es im Übermaß vorhanden, ist es schädlich für den Körper. Unter dem Cushing-Syndrom verstehen Mediziner körperliche Veränderungen, die durch ein Zuviel an Cortisol im Blutplasma hervorgerufen werden. Meist stecke dahinter eine längerfristige Einnahme von Cortisol in höheren Dosierungen, berichtet Professor Dr. Stephan Petersenn, Leiter einer Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg. »In einigen Fällen ist aber auch eine Erkrankung des Hormonsystems die Ursache oder ein Tumor, der Cortisol produziert.«
Ob äußere oder innere Ursachen – die Symptome gleichen sich und sind in beiden Fällen vielfältig. Ein Zeichen der Erkrankung ist eine Gewichtszunahme, insbesondere am Körperstamm sowie im Gesicht. Die Betroffenen bekommen oft dicke Backen oder ein rundes »Vollmondgesicht«. Arme und Beine bleiben in der Regel, wie sie sind, oder werden sogar schmaler, denn das Cushing-Syndrom schwächt die Muskulatur durch Abbau von Muskelproteinen. An den im Vergleich zum Körperrumpf schmalen Gliedmaßen lasse es sich gut von einer Adipositas unterscheiden, betont Petersenn, der Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ist. »Betroffene haben wegen der geschwächten Beinmuskulatur häufig Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder beim Aufstehen aus der Hocke.«
An Bauch, Hüfte und Achseln können überdies auch Dehnungsstreifen entstehen, die Schwangerschaftsstreifen ähneln, jedoch durch die durchscheinenden Blutgefäße rot erscheinen. Zudem haben Menschen mit Cushing-Syndrom häufiger Blutergüsse sowie insgesamt eine schlechtere Wundheilung.
Ein Zuviel an Cortisol beeinträchtigt auch Stoffwechsel und Kreislauf. Betroffene tragen ein höheres Risiko, an Diabetes Typ 2 oder an Bluthochdruck zu erkranken. Gleichzeitig kann der Kaliumwert im Blut absinken, sodass Kreislauffunktion und Herzrhythmus gefährdet sind. Auf die Knochen wirkt sich ein Cortisol-Überschuss in Form eines Verlustes an Knochenmasse aus (Osteoporose). Schließlich kann Cortisol im Überfluss auch psychische Auswirkungen haben, so werden einige Menschen ängstlicher oder geraten in depressive Stimmungen.
In der Mehrheit der Fälle ist die Ursache für ein Cushing-Syndrom exogen: eine hoch dosierte Zufuhr von Glucocorticoiden über einen längeren Zeitraum im Rahmen einer medizinischen Behandlung. Bei der Abgabe von Cortisol-Präparaten ist es deshalb wichtig, dass PTA Dosis und Dauer der Anwendung mit den Kunden besprechen und auf die Gefahr einer Überdosierung hinweisen. Riskant seien nämlich nicht nur Tabletten und Injektionen, sondern je nach Dosis unter Umständen auch Nasensprays und Hautcremes, erläutert Petersenn. »Auch sie gehen zu einem geringen Anteil in den Stoffwechsel über.«
Ein wichtiges Kriterium ist die sogenannte Cushing-Schwelle. Sie bezeichnet die Dosis an verabreichten Glucocorticoiden, ab welcher Betroffene Cushing-Symptome entwickeln. Das Risiko, die Cushing-Schwelle bei einer Therapie zu überschreiten, ist, wie bereits erwähnt, auch von der Applikationsart abhängig. Beim Auftragen auf die Haut oder beim Inhalieren geht deutlich weniger Cortisol in den Stoffwechsel über als bei der Einnahme von Tabletten oder bei einer intravenösen Therapie.
Dazu kommt, dass auch zwischen den Wirkstoffen selbst erhebliche Unterschiede bestehen. Synthetische Glucocorticoide haben eine relativ stärkere Wirkung, sodass die Schwellendosis entsprechend niedriger liegt. »Während zum Beispiel Betamethason und Dexamethason eine Cushing-Schwelle von nur 1,5 mg/Tag haben und Prednison eine von etwa 7,5 mg/Tag, liegt die Schwelle für das konventionelle Cortisol bei circa 30 mg/Tag«, erklärt Endokrinologe Petersenn. Wichtig: Menschen, die dauerhaft auf eine Behandlung mit Cortisol angewiesen sind, sollten regelmäßig Blutzucker und Blutdruck kontrollieren lassen und auch ihr Osteoporose-Risiko beachten.
Viele Menschen fürchten sich vor Risiken und Nebenwirkungen einer Cortisonbehandlung. Richtig dosiert und nicht zu lange eingesetzt, ist das Risiko für Nebenwirkungen aber geringer, als viele meinen, betonen die Experten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Sie geben Ratschläge zur sicheren Anwendung:
Das endogene Cushing-Syndrom zählt mit einer Häufigkeit von etwa drei bis fünf Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr zu den seltenen Erkrankungen. In diesem Fall stellt der Körper selbst zu viele Corticoide her. Oft produziert dann die Hirnanhangdrüse Adrenocorticotropin (ACTH) im Übermaß, das wiederum die Nebennieren anregt, mehr Cortisol herzustellen. Ursache ist oft ein gutartiger Tumor des Hypophysenvorderlappens. In noch selteneren Fällen wird an anderer Stelle im Körper zu viel ACTH gebildet, etwa in bösartigen Tumoren an Lunge oder Darm. Oder die Nebennieren bilden von sich aus zu viele Steroide – meist auch unter Einfluss eines Tumors.
Die Therapie der Wahl zur Behandlung eines Hypophysentumors ist dessen Entfernung im Rahmen einer minimal invasiven neurochirurgischen Operation. Ergänzend kann eine Bestrahlung oder eine medikamentöse Therapie mit dafür zugelassenen Präparaten wie Ketoconazol, Metyrapon, Osilodrostat oder Pasireotid sinnvoll sein. Sowohl eine Operation als auch eine Bestrahlung können langfristig zum Ausfall einzelner oder mehrerer Funktionen der Hypophyse führen (Hypophyseninsuffizienz).
In einigen Fällen ist es schließlich sinnvoll und notwendig, beide Nebennieren zu entfernen, sodass sie kein Cortisol mehr produzieren können. Für die Betroffenen bedeutet dies allerdings auch, dass eine lebenslange Hormonersatztherapie, meist eine Einnahme von Hydrocortison und Fludrocortison, erforderlich ist, um die fehlende Funktion der Nebennieren auszugleichen.