Zu viel Luft im Bauch |
Die Apotheke hat bessere Mittel, der vermehrten Gasansammlung im Bauchraum den Weg nach draußen zu ebnen. / Foto: Adobe Stock/sementsova321
Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen. Der Volksmund hat schon recht: Meist sind erhöhte Gasansammlungen im Magen-Darm-Trakt (Meteorismus) und der vermehrte Abgang von Darmgasen (Flatulenz) ernährungsbedingt. Wer sich möglichst naturbelassen und mit wenig verarbeiteten Nahrungsmitteln ernährt, der nimmt automatisch einen relativ hohen Anteil an Ballaststoffen, Zuckern wie Lactose und Fructose oder Zuckeralkoholen auf. Vor allem lösliche Ballaststoffe in Hülsenfrüchten, Kohlarten oder Zwiebeln sind für ihre blähungstreibende Wirkung bekannt, vor allem dann, wenn der Darm bislang nicht an sie gewöhnt war.
Zu vermehrten Winden kann es aber auch kommen, wenn Nahrungsbestandteile unverdaut in untere Darmabschnitte gelangen und dort durch Darmbakterien abgebaut werden, wie es etwa bei Zuckeraustauschstoffen (zum Beispiel Xylit oder Sorbit), aber auch bei Unverträglichkeiten wie einer Lactose- oder Fructose-Intoleranz der Fall sein kann. Blähungen können zudem als Begleiter einer hartnäckigen Verstopfung, eines Reizdarmsyndroms, einer Zöliakie, einer Divertikulitis oder einer Bauchspeicheldrüsenentzündung auftreten.
Oft können schon Verhaltensänderungen dabei helfen, dass Aufstoßen, Spannungsgefühle und Gasabgänge erträglich werden:
Das Apothekenteam denkt freilich auch an die vorliegende Pharmakotherapie als Verursacher von vermehrten Gasansammlungen im Bauch. Blähungen werden besonders häufig durch Antibiotika, nicht steroidale Antirheumatika, Metformin und Orlistat verursacht. Beim Diabetesmedikament Acarbose ist Flatulenz sogar als sehr häufige Nebenwirkung in der Packungsbeilage genannt.
Es gibt einige Red Flags, die auf eine ernste Ursache hinweisen und einen Besuch beim Arzt erforderlich machen. Dazu zählen unter anderem Fieber, Blut im Stuhl, Schmerzen, Schluckbeschwerden, extremer Durchfall, ein »Gasgefühl« in der Brust oder unbeabsichtigter Gewichtsverlust. Möglicherweise könnte eine Magenlähmung, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder ein Darmverschluss dahinterstecken. Schmerzen im rechten Oberbauch können Zeichen einer Gallenkolik sein.
Wenn Blähungen akut sind, bringen rezeptfreie Präparate schnell Linderung. Ein Klassiker bei Blähbauch und vermehrten Winden sind Entschäumer wie Dimeticon oder Simeticon. Die nicht resorbierbaren Silikonöle wirken rein physikalisch; sie reduzieren lokal die Oberflächenspannung der Gasblasen. Diese werden dadurch kleiner und können leichter resorbiert werden. Die Entschäumer stehen in verschiedenen Darreichungsformen wie Tropfen für Säuglinge oder als Liquida oder Kautabletten für ältere Betroffene (wie Lefax®, Sab simplex®, Velgastin®) zur Verfügung.
Wer es lieber pflanzlich mag, kann aus einer Reihe von karminativ und spasmolytisch wirkenden Heilpflanzen wählen. Zum Einsatz kommen dabei vor allem Anis, Kümmel und/oder Fenchel sowie Pfefferminze, Kamille oder Melisse. Deren Inhaltsstoffe regen die Darmmotilität an und lindern Spannungsgefühle im Verdauungstrakt. Bitterstoffhaltige Drogen wie Pomeranzenschale, Condurangorinde, Wermutkraut und Enzianwurzel regen den Appetit, die Magensaft- und Gallenproduktion an und leisten Vorschub für Luft, die nach innen drückt und nach außen drängt. Viele Präparate (wie Iberogast®, Carmenthin®, Amara-Tropfen von Weleda, Gastricholan®-L) und Teemischungen enthalten sowohl Karminativ- als auch Bitterdrogen. Yamato®Gast enthält Trockenextrakte von Pflanzen der japanischen Traditionsmedizin wie Ginseng, Ingwer oder Süßholzwurzel.
Von Fencheltee rät die Europäische Arzneimittelagentur EMA bei Kindern bis zum Alter von vier Jahren und bei Stillenden ab. Das liegt an der kanzerogen wirkenden Substanz Estragol. Die Substanz führte in Tierversuchen in hohen Dosen zu Krebs in der Leber.
Da der Estragol-Gehalt im Fenchelöl stark schwanken kann, wird bei kleinen Kindern und Stillenden vorsorglich von der Anwendung von Fencheltee abgeraten. Generell sollte bei Kindern bis zum elften Lebensjahr Fencheltee nur zurückhaltend zum Einsatz kommen. Es spricht jedoch nichts dagegen, Fenchel als Gemüse zu essen oder ab und zu als Gewürz zu verwenden.
Hoch dosiertes Pfefferminzöl (Medacalm®, Digestopret®, Buscomint®) mono oder in Kombination mit Kümmelöl (Carmenthin®) ist eine gute PTA-Empfehlung, wenn funktionelle Verdauungsstörungen von einem Blähbauch und Blähungen begleitet werden. So gibt es eine ganze Reihe an Wirksamkeitsbelegen für Reizdarm. Diese haben dem Pfefferminzöl in der aktuellen S3-Leitlinie Reizdarm eine 1A-Empfehlung eingebracht.
Gehen Meteorismus oder Flatulenz mit ausgeprägten krampfartigen Schmerzen einher – was etwa beim Reizdarmsyndrom der Fall sein kann -, bringt Butylscopolamin (etwa Buscopan®) Entspannung in den Bauchraum. Der Muscarinrezeptor-Antagonist ist in der Lage, den Tonus der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt herabzusetzen.
Liegt den Verdauungsbeschwerden ein Mangel an Pankreasenzymen zugrunde, können Enzympräparate hilfreich sein. Sie werden auch in fester Kombination mit entschäumenden Wirkstoffen angeboten (wie Lefax® Enzym). Pankreasenzyme helfen zum Beispiel Menschen mit einer Funktionsschwäche der Bauchspeicheldrüse.
Schon am Anfang des Lebens machen manche Menschen Erfahrungen mit Blähungen. Galten vor einiger Zeit noch Dreimonatskoliken als Grund für häufige Schreiattacken im Säuglingsalter, sieht man heute in Blähungen und zu viel Luft im Bauch eher einen umgekehrten Kausalzusammenhang: Eben weil die Kleinen so viel schreien, wird vermehrt Luft aufgenommen. Das Schreien sei eher als Ausdruck einer verzögerten Verhaltensregulation zu sehen, weil die Kleinen noch nicht gelernt haben, sich selbst zu beruhigen.
Bauchmassagen mit ätherischen Ölen (zum Beispiel mit Dentinox® Bäuchleinsalbe, Weleda Bäuchlein-Massageöl), Tropfen mit entschäumenden Substanzen wie Simeticon, homöopathische Kümmelzäpfchen (Carum Carvi) oder Globuli mit Wermut, Enzian, Wacholder und Kamille (Flatulini®) können die Beschwerden zumindest bei einigen Säuglingen lindern.
Mit nützlichen Bakterien wie Bifidobacterium longum und Pediococcus pentosaceus (Velgastin® Biotic Baby) oder mit Lactobacillus reuteri (BiGaia® Tropfen) kann zudem die Darmbalance von Säuglingen verbessert werden. Forscher aus Australien fanden 2018 heraus, dass Probiotika mit Lactobacillus reuteri gestillten Säuglingen mit Koliken Erleichterung verschaffen können. Die Wirksamkeit bei nicht gestillten Kindern, die Säuglingsnahrung bekommen, ist allerdings unbekannt. Darüber hinaus empfiehlt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) verschiedene Beruhigungsmaßnahmen: etwa Herumtragen, viel Körperkontakt oder Lieder summen.