Zuckerfallen erkennen |
Auch vermeintlich gesund wirkende Bowls können sich durch das Dressing als Zuckerfalle entpuppen. / © Zocha_K/Getty Images
Versteckter Zucker ist eine Herausforderung, die jeden Tag und bei jeder Mahlzeit besteht – und das nicht nur für Menschen mit diagnostiziertem Diabetes. Viele essen wahrscheinlich mehr Zucker, als ihnen bewusst ist. Dabei enthält Zucker keine Vitamine und Mineralstoffe, liefert aber unnötige Kalorien.
Morgens greifen viele Menschen gern zu vermeintlich gesunden Lebensmitteln: etwa einem Müsli mit Joghurt, einem Smoothie oder getoastetem Vollkornbrot mit Marmelade oder Honig. Doch in Frühstücksflocken, Joghurts mit Geschmack oder Fruchtdrinks steckt oft zugesetzter Zucker, der nicht gleich als solcher wahrgenommen wird.
Zudem können Milch und Milchprodukte zwar als wichtige Nährstofflieferanten ein wertvoller Bestandteil der ausgewogenen Ernährung sein, doch auch sie enthalten von Natur aus Zucker (Vollmilch etwa 4,7 Gramm pro 100 Milliliter). Manche sind – wie auch pflanzliche Alternativen – zusätzlich gesüßt. Ein halber Liter Milchmischgetränk enthält mitunter bis zu 15 Stück Würfelzucker.
Auch ein Smoothie hat seine Tücken. Denn in dem Getränk kommt viel Obst zusammen, das die meisten in natürlicher Form wohl nicht in derselben Menge essen würden. 25 Gramm Zucker können durchaus in 200 Millilitern stecken. Genauso bei den Frühstückssäften: Nach Angaben etwa der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) können über 200 Milliliter Apfelsaft bis zu 34 Gramm Zucker in den Körper gelangen.
Wer viel Zucker isst, bekommt zwar viel Energie, aber kaum wichtige Nährstoffe. Das Risiko: Man nimmt insgesamt zu viele Kalorien zu sich und entwickelt dadurch Übergewicht oder gar Adipositas. Das sind bedeutende Risikofaktoren etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes. »Wir sehen auch eine Verknüpfung von Adipositas mit Depressionen, Demenz, verschiedenen Krebserkrankungen oder Schlafapnoe, bei der nachts mehrfach der Atem aussetzt«, sagt Stefan Kabisch, Ernährungsforscher an der Berliner Charité. »Zucker ist dabei nicht die alleinige, aber durchaus eine relevante Ursache.« Zu viel Zucker kann außerdem Karies verursachen und die Zähne schädigen.
Wenn es mal schnell gehen muss, bietet mitunter das Restaurant nebenan Abhilfe. Doch bei jeder Mahlzeit, die jemand anderes zubereitet, fehlt die Kontrolle darüber, was drinsteckt. Das kann auch bei vermeintlich gesundem Essen wie einer Bowl oder einem Salat der Fall sein. Zucker versteckt sich nämlich oft in Dressings und Dips.
Die Verbraucherzentrale Bayern etwa hat im Frühjahr 2024 beliebte To-go-Gerichte unter die Lupe genommen. Ergebnis: Einige der vorgeblich gesunden Snacks lieferten einen erheblichen Teil der empfohlenen Tageshöchstmenge an zugesetztem Zucker. Manch eine Bowl kam in der Stichprobe auf mehr als 25 Gramm, ein Salat sogar auf 34 Gramm.
Wer wenig Zeit hat, greift auch gern zu Fertiggerichten. Sie sind oft praktisch, verzehrfertig und lange haltbar. Doch viele solcher hochverarbeiteten Lebensmittel enthalten neben Salz, ungünstigen Fetten sowie diversen Zusatzstoffen typischerweise auch viel Zucker. Der wird nämlich oft zur Geschmacksverstärkung zugesetzt, aber auch, um die Konsistenz zu verbessern oder als Konservierungsmittel die Haltbarkeit zu verlängern.
Eine Studie unter Briten fand 2019 heraus: Der Verzicht auf hochverarbeitete Lebensmittel könnte die Aufnahme von übermäßigem freiem Zucker potenziell um fast die Hälfte reduzieren.
Wenn sich zwischendurch der kleine Hunger meldet, greifen einige zu Protein- oder Müsliriegeln. Doch auch die sind in der Regel verarbeitete Produkte, die mit einer naturbelassenen Ernährung wenig zu tun haben. »Man kann sich nicht darauf verlassen, dass eine bestimmte Lebensmittelkategorie potenziell gesund ist. Zucker kann in sehr untypischen Produkten vorkommen«, so Kabisch.
Frisches Obst und rohes Gemüse sind die bessere Zwischenmahlzeit. Auch Nüsse sind reich an Ballaststoffen und Eiweiß. Langes Kauen macht zudem lange satt. Beim Obst sind reife Bananen besonders zuckerhaltig, Äpfel und Birnen liegen ungefähr im Mittelfeld. »Am besten wären Beeren«, erklärt der Charité-Wissenschaftler. »Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren, Blaubeeren.« 100 Gramm Himbeeren haben weniger als fünf Gramm Zucker.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Menschen mit gesundem Körpergewicht täglich nicht mehr als 50 Gramm des freien Zuckers, idealerweise sogar weniger als 25 Gramm (sechs Teelöffel) zu sich zu nehmen. Freier Zucker wird gezielt Lebensmitteln zugesetzt oder aus natürlichen Lebensmitteln – etwa durch Entsaften – freigesetzt. Das natürliche Vorkommen in Früchten zählt nicht dazu. Also: Obstsaft zählt als freier Zucker, Obst – in seiner ursprünglichen Form verzehrt – nicht.
Der Experte Stefan Kabisch hält den Grenzwert für nicht ganz passend, gerade weil er sich nur auf freie Zucker beziehe. Der WHO-Wert suggeriere: »Solange ich den Zucker in einem natürlichen Lebensmittel esse, kann ich so viel essen, wie ich will. Aber das ist eben auch nicht wahr.« Es seien ja die gleichen Kalorien.
Der Nationalen Verzehrsstudie II (2005–2007) zufolge nehmen in Deutschland Männer im Schnitt täglich 78 Gramm und Frauen 61 Gramm freie Zucker auf. Auch wenn die Studie schon älter ist, sei das »das Repräsentativste, was wir für Deutschland haben«, sagt Kabisch. »In der Größenordnung wird es auch heute noch sein, inklusive anderer Zuckerquellen 90 bis vielleicht 100 Gramm pro Tag.«