Zum Blutzucker-Check rechts ranfahren |
Katja Egermeier |
17.02.2022 11:00 Uhr |
Elektronische Geräte dürfen während des Autofahrens nicht in die Hand genommen werden – auch wenn es um das Checken des Glukosespiegels geht. Besser rechts ranfahren! / Foto: Getty Images/Jordan Siemens
Es sei nicht allen bewusst, dass eine spontane Anwendung eines kontinuierlich aufzeichnenden Glukosemessgerätes (rtCGM) oder ein FGM-Scan (Flash Glucose Monitoring) als ein Verstoß gegen die Verkehrsregeln gewertet werde. Das könne ein Bußgeld von aktuell mindestens 100 Euro sowie mindestens einen Punkt in Flensburg und sogar ein Fahrverbot nach sich ziehen, so die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Pressemitteilung.
Es greift § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO): Demnach dürfen beim Führen eines Fahrzeugs elektronische Geräte, die »der Kommunikation, Information oder Organisation dienen«, nur benutzt werden, wenn sie dafür weder aufgenommen noch gehalten werden müssen und zur Bedienung und Benutzung der Blick nur kurz vom Verkehrsgeschehen ab- und dem Gerät zugewendet wird. Das gilt der DDG zufolge auch an roten Ampeln bei laufendem Motor sowie wenn sich der Motor bei der sogenannten Start-Stopp-Automatik automatisch abschalte.
CGM (Continuous Glucose Monitoring) steht für kontinuierliche Glukosemessung. Dabei wird der Glukosegehalt nicht im Blut, sondern in der Gewebeflüssigkeit (interstitielle Flüssigkeit – ISF) des Unterhautfettgewebes gemessen.
Bei dem rtCGM (real time = Echtzeit) erfolgt dies automatisch und in kurzen Zeitabständen. Im Abstand von wenigen Minuten führt ein kleiner Sensor, der meist am Bauch oder am Oberarm unter der Haut sitzt, die Messungen durch. Die Ergebnisse werden schließlich an ein spezielles Empfangsgerät oder an eine Smartphone-App übertragen.
Anders funktioniert die Messung bei so genannten isCGM-Systemen (Intermittent Scanning Continuous Glucose Monitoring), auch FGM (Flash Glucose Monitoring) genannt. Bei diesen muss der Nutzer seine Werte aktiv anfordern, indem er einen Scanner – entweder das dazugehörige Messgerät oder ein Smartphone mit der passenden App – über den Sensor bewegt.
Um gefährliche Unterzuckerungen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden, seien für Diabetiker regelmäßige Kontrollen der Glukosewerte bei Autofahrten jedoch notwendig, so Dr. Wolfgang Wagener, Vorsitzender des DDG-Ausschusses »Soziales«. Aber auf die sichere Art. Das heißt, bevor der Fahrende – sei es nun der eines Autos, Motorrads, E-Bikes, E-Scooters oder eines Fahrrads – ein CGM oder eine Insulinpumpe bedient, müsse er ordnungsgemäß an den Straßenrand fahren und gegebenenfalls den Motor abstellen.
Rechtskonformes Vorgehen im Straßenverkehr sieht dem Experten zufolge wie folgt aus: Bei Verdacht auf eine Unterzuckerung oder vor der regelmäßigen Kontrolle der Glukose sollte der Fahrer seine Teilnahme am Straßenverkehr sofort beenden, indem er sicher parkt oder die Warnblinkanlage einschaltet, an den Straßenrand fährt, das Fahrzeug zum Stehen bringt und den Motor abschaltet. Zweiradfahrer müssen absteigen.
Auch zulässig ist dem Rechtsexperten der DDG, Oliver Ebert, zufolge auch ein kurzer Blick auf das Display zum Ablesen des Glukosewerts. Voraussetzung: Das Messgerät muss dazu nicht aufgenommen oder bedient werden. Ein Tastendruck zum Einschalten des Displays sei unproblematisch, wenn es nicht zu einer Ablenkung führe. Hier könne eine Handy-Halterung hilfreich sein. »Wir raten jedoch davon ab, das Gerät mehrfach anzutippen oder zum Messwert zu scrollen. Das absorbiert zu viel Aufmerksamkeit vom Verkehr«, warnt Ebert. Die Rechtsprechung sei sehr streng, da bereits das Ablegen des Gerätes auf dem Oberschenkel schon als »Halten des Gerätes« angesehen werde.
Kommt es im Zusammenhang mit einer Gerätebedienung zu einem Unfall, könnten Gerichte schnell fahrlässiges Verhalten unterstellen, so Ebert weiter. Dem Unfallverursacher drohten dann hohe Strafen, Schadensersatzforderungen oder sogar Gefängnis. Der Rechtsanwalt weist zudem darauf hin, dass es zu einer Meldung an die Straßenverkehrsbehörde führen könne, wenn rtCGM oder Insulinpumpe bei einer Polizeikontrolle auffallen. »Der Fahrende kann von der Führerscheinbehörde dann womöglich zu einer verkehrsmedizinischen Untersuchung aufgefordert werden, deren Kosten er oder sie selbst tragen muss.«
Um das Risiko für die eigene (Mit-)Haftung oder gar Strafbarkeit zu minimieren, fordern die Experten der DDG gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, diese wichtige Information auch in die Aufklärung, Schulung und Beratung von Diabetes-Patienten aufzunehmen.
Wer mit Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung und/oder Insulinpumpen behandelt werde, sollte bereits in Schulungen und Therapien ausdrücklich auf diese Rechtslage hingewiesen sowie Maßnahmen entwickeln, die eine Vereinbarkeit von größtmöglicher Verkehrssicherheit einerseits und Schutz vor riskanten Glukoseverläufen während der Fahrt andererseits ermöglichen.