Zusammen gesund essen |
Schon bei den Allerjüngsten ist es sinnvoll, in Kitas Standards für eine gesunde Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung zu etablieren. / Foto: Fotolia/Olesia Bilkei
Unter Ernährungswissenschaftlern und Medizinern besteht kein Zweifel, dass die Ernährung große Bedeutung für die Gesundheit hat. Sie sollte pflanzenbetont sein. Fleisch und Fleischwaren, Alkohol sowie fettreiche und süße Lebensmittel gehören dagegen nur in Maßen auf den Tisch. Zudem sollten Obst und Gemüse frisch und die Lebensmittel möglichst wenig verarbeitet sein. Es klingt eigentlich ganz einfach. Dennoch sind viele Menschen weit entfernt davon, sich gesund zu ernähren. Den einen fehlt möglicherweise das Wissen, andere greifen in ihrem stressigen Alltag lieber auf einfache Lösungen zurück, um den Hunger schnell zu stillen, wieder andere haben schlicht ungesunde Gewohnheiten. In der Folge nehmen ernährungsbedingte Krankheiten in Deutschland und vielen anderen Ländern immer weiter zu.
Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen hierzulande sind übergewichtig. Bei den Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren betrifft es etwa 15 Prozent. Die möglichen Folgen von Übergewicht und Fehlernährung sind hinlänglich bekannt: ernährungsabhängige Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Krebserkrankungen. Tausende Todesfälle gehen jährliche darauf zurück.
Da ist guter Rat teuer. Wie kann es gelingen, Menschen in eine gesündere Ernährungsrichtung zu bewegen? Ein möglicher Ansatzpunkt, gesunde Ernährung zu fördern, ist die Gemeinschaftsverpflegung. Rund 17 Millionen Menschen in Deutschland essen täglich in Kitas, Schulen, Universitäten, Betrieben, Senioreneinrichtungen und Krankenhäusern. Die Gemeinschaftsverpflegung erreicht Menschen aller Altersstufen, unabhängig vom sozioökonomischen Status und Bildungsstand.
Allerdings hat Kantinenessen oftmals einen schlechten Ruf – zu salzig oder lasch, zu fettreich, zerkocht, ideenlos oder abgestanden. Das stimmt zwar so pauschal schon lange nicht mehr, dennoch sind die in Kantinen, Cafeterien und Verpflegungsautomaten angebotenen Mahlzeiten, Snacks und Getränke oft nicht gerade gesundheitsfördernd. Wie Untersuchungen gezeigt haben, stehen Fleisch und Wurst hierzulande zu häufig, dagegen Gemüse, Rohkost und Salat zu selten auf dem Speiseplan von Gemeinschaftseinrichtungen.
17 Millionen Menschen, die in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung essen, sind eine Dimension, die auch für die Volksgesundheit relevant ist. So hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beauftragt, Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung zu entwickeln. Da die Bedürfnisse der Menschen je nach Alter und Lebenssituation verschieden sind, wurden fünf unterschiedliche Empfehlungen erarbeitet, nämlich für Kitas, Schulen, Betriebe, Kliniken und Senioreneinrichtungen einschließlich »Essen auf Rädern«. Bei der Erstellung haben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis zusammengearbeitet.
Das Ergebnis gilt als Richtschnur für gesunde Gemeinschaftsverpflegung. Da die Ernährungsweise auch erhebliche negative Auswirkungen auf das Klima haben kann, ziehen sich Nachhaltigkeitsaspekte wie ein roter Faden durch die gesamten Empfehlungen. Sie sind damit sowohl unter gesundheitlichen als auch ökologischen Aspekten vorteilhaft.
Die Standards orientieren sich an den zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für eine ausgewogene vollwertige Ernährung. Das Verpflegungsangebot setzt seinen Schwerpunkt bei frischem Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Nüssen und Saaten. Fleisch- und Wurstwaren, besonders rotes und verarbeitetes Fleisch, spielen eine untergeordnete Rolle. Mittags kommt innerhalb von fünf Werktagen zweimal Fleisch oder Wurst und einmal Fisch auf den Speiseplan, wenn es sich nicht gerade um die ovo-laktovegetarische Menülinie handelt. Für eine gute Qualität der Lebensmittel und der daraus zubereiteten Speisen spielen der Einkauf und die Zubereitung eine Rolle. Deswegen beschäftigen sich die Standards auch mit Saisonalität, kurzen Transportwegen, Zubereitungsarten, Warmhaltezeiten und Abfallvermeidung. Und da Essen und Trinken natürlich mehr ist als die Zufuhr von Nährstoffen, gehören auch die Essatmosphäre und die Gestaltung der Essbereiche mit dazu. Hier sind die Bedürfnisse von Mitarbeitern eines Betriebes sicherlich ganz andere als von Jugendlichen oder Kindergartenkindern.
Ziel ist es nicht nur, ein schmackhaftes und gesundheitsförderndes Essen anzubieten. Gleichzeitig besteht der Wunsch, bei den Bewirteten ganz nebenbei Gewohnheiten und Vorlieben zu ändern. Idealerweise setzen sie diese Änderungen auch zu Hause um. Kinder wachsen mit einem gesunden Ernährungsstil auf und führen ihn in späteren Jahren fort. Der große Vorteil gegenüber vielen anderen Präventionsbemühungen ist: Diese Veränderungen erreichen nicht nur gesundheitsbewusste Menschen, die sich über das verbesserte Angebot freuen, sondern auch diejenigen, die sich über Essen und Trinken nur wenig Gedanken machen und gerne auf Gewohntes zurückgreifen.
Ein Instrument der Ernährungserziehung ist das sogenannte Nudging. Der Begriff »Nudge« bedeutet im Englischen »Stups«. Man erhält sozusagen einen kleinen Stups, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Wenn beispielsweise appetitlich dekoriertes Birchermüsli vorne in der Theke steht, greifen Gäste automatisch danach und nicht nach den dahinter liegenden Schokoladencroissants. Dass diese Strategie tatsächlich funktioniert, um Menschen zu einer gesünderen Speisenauswahl zu bringen, ist in Studien gezeigt worden. Oft erfolgt die Entscheidung für Speisen und Getränke aus einem großen Angebot unbewusst und spontan – zumal, wenn sich jemand währenddessen mit Mitschülern oder Kollegen unterhält oder mit den Gedanken noch bei der Arbeit ist. Der Platzierung kommt also eine große Bedeutung zu und dies berücksichtigen auch die DGE-Standards.
Die Umsetzung der DGE-Standards ist in vielen Bereichen freiwillig. Kantinenbetreiber und Caterer können sich daran orientieren oder sie vollständig umsetzen und sich sogar zertifizieren lassen. Das Logo, das sie nach erfolgreicher Zertifizierung verwenden dürfen, ist wie ein Aushängeschild. Es kann genutzt werden, um etwa bei den Mitarbeitern für die Kantine zu werben oder um Eltern davon zu überzeugen, dass ihre Kinder in Kita oder Schule ein gutes Essen erhalten. Nicht zuletzt kann es den Ausschlag dafür geben, dass Menschen sich beispielsweise für eine bestimmte Kita, eine Reha-Klinik oder Senioreneinrichtung entscheiden, eben weil die Verpflegung dort gut ist.
Keine Frage, Verpflegungseinrichtungen, die ihr Angebot in Richtung Gesundheit und Nachhaltigkeit entwickeln wollen, haben einen längeren Weg vor sich, der Umdenken und Umplanen der Koch- und Arbeitsprozesse erfordert. Qualität hat ihren Preis, dennoch muss das Essen nicht automatisch teurer werden. Wenn nach der Umstellung mehr Personen in einer Kantine essen, weil das Essen dort so gut ist, kann sie wirtschaftlicher arbeiten.
Aus Sicht der Gesundheitspolitik und des Umweltschutzes besteht dringender Handlungsbedarf, dass die Standards an möglichst vielen Orten umgesetzt werden. Gerade mit Blick auf das wachsende Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen drängt die Zeit. Einige Bundesländer haben bereits eine Verpflichtung zur Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards für Schulen beschlossen, bei den Kitas ist es bislang nur Thüringen. Aus einer Studie geht hervor, dass sich im Jahr 2016 immerhin 41 Prozent der Kindertageseinrichtungen in Deutschland freiwillig an externen Qualitätsstandards orientierten, die meisten an denen der DGE. In Betrieben und Senioreneinrichtungen liegt es in der Verantwortung der Betriebsleitung oder des Trägers, ob und in welchem Maße Standards umgesetzt werden.
Apothekenteams werden wohl nur in seltenen Fällen die Möglichkeit haben, in einer benachbarten Kantine zu essen. Dennoch kann das Thema auch für PTA und Apotheker von Bedeutung sein. Denn als Eltern können sie in der Kita oder Schule eine Verbesserung des Verpflegungsangebots einfordern. Auch als Angehörige von alten Menschen, die in einer Senioreneinrichtung leben, können sie Einfluss nehmen und ein Umdenken ins Rollen bringen.
In allen Bundesländern gibt es sogenannte Vernetzungsstellen, die Kitas und Schulen vor Ort mit Know-how dabei unterstützen, die Qualität der Versorgung zu verbessern und gleichzeitig mit pädagogischen Ansätzen Kinder und Jugendliche an eine gesunde und nachhaltige Ernährung heranführen. In über der Hälfte der Bundesländer wurden mittlerweile zudem Vernetzungsstellen für die Seniorenernährung gegründet, die Senioreneinrichtungen und mobile Menüdienste beraten.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Verpflegung zu verbessern – und wenn es zunächst nur in kleinen Schritten ist. Viele Anregungen dazu stellen einschlägige Institutionen im Internet zur Verfügung.