Zwei Neulinge in drei Präparaten |
Sven Siebenand |
26.04.2023 11:00 Uhr |
Ein Antikörper, zwei (Handels-)namen für zwei Indikationen auf dem Markt: Tremelimumab zur Behandlung von Lungen- und Leberkrebs / Foto: Adobe Stock/Corona Borealis
>> Tremelimumab ist ein Checkpoint-Inhibitor für die Krebsimmuntherapie. Das Präparat Imjudo® wird in Kombination mit Durvalumab bei bestimmten Leberkrebsarten eingesetzt. Das Präparat Tremelimumab AstraZeneca ist dagegen in Kombination mit Durvalumab und einer platinbasierten Chemotherapie angezeigt bei Erwachsenen mit bestimmtem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom.
>> Deucravacitinib im Päparat Sotyktu® ist eine neue Therapieoption bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis. Ab einem Alter von 75 Jahren ist der Einsatz nur unter Vorbehalt möglich. Der neue Arzneistoff kann prinzipiell das Infektionsrisiko erhöhen. Infektionen der oberen Atemwege sind denn auch eine häufige Nebenwirkung.
Tremelimumab ist ein sogenannter Checkpoint-Inhibitor für die Krebsimmuntherapie. Der Antikörper hemmt – wie der bereits verfügbare Wirkstoff Ipilimumab – ein bestimmtes Oberflächenprotein von T-Lymphozyten: CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4). Dadurch gelingt es, die Aktivierung und Proliferation von T-Zellen und letztlich die T-Zell-abhängige Antitumorwirkung zu verbessern. Der Antikörper aktiviert also das Immunsystem gegen die Krebszellen; direkt gegen den Tumor richtet er sich nicht.
Tremelimumab wird immer mit einem zweiten Checkpoint-Inhibitor kombiniert, dem gegen PD-L1 gerichteten Antikörper Durvalumab. Die Rationale dafür lässt sich mit »doppelt hält besser« gut umschreiben. Die Kombination aus einem CTLA-4- und einem PD-L1-Inhibitor soll die Anti-Tumor-Antwort verstärken.
Zugelassen ist Tremelimumab bei zwei verschiedenen Krebsarten. Das Präparat Imjudo® wird in Kombination mit Durvalumab bei Leberkrebs, genauer gesagt bei Erwachsenen zur Erstlinienbehandlung des fortgeschrittenen oder nicht resezierbaren hepatozellulären Karzinoms, eingesetzt. Das Präparat Tremelimumab AstraZeneca ist dagegen in Kombination mit Durvalumab und einer platinbasierten Chemotherapie angezeigt bei Erwachsenen zur Erstlinienbehandlung des metastasierten nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms ohne sensibilisierende EGFR-Mutationen oder ALK-positive Mutationen.
Tremelimumab wird als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von einer Stunde gegeben. Die Fachinformationen der beiden Medikamente geben weitere Hinweise zu dem Therapieregime und der Dosierung. Im Falle von Leberkrebs wird Tremelimumab nur einmalig eingesetzt, bei Lungenkrebs dagegen bis zu fünfmal.
Bedingt durch den Wirkmechanismus ist es keine Überraschung, dass Tremelimumab immunvermittelte Nebenwirkungen verursachen kann. Die Fachinformationen gehen beispielsweise auf die Möglichkeit einer immunvermittelten Hepatitis, Kolitis und Pneumonitis ein.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Tremelimumab in der Indikation Lungenkrebs waren Anämie, Übelkeit, Neutropenie, Fatigue, Hautausschlag, Thrombozytopenie und Diarrhö. Die häufigsten Nebenwirkungen im Anwendungsgebiet Leberkrebs waren Hautausschlag, Pruritus, Diarrhö, Abdominalschmerzen, erhöhte Leberwerte, Pyrexie, Hypothyreose, Husten, peripheres Ödem und erhöhte Lipase-Werte.
Für beide Indikationen gilt: Tremelimumab sollte während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die während der Behandlung und mindestens drei Monate nach der letzten Dosis keine zuverlässige Verhütungsmethode verwenden, nicht angewendet werden. Wegen des Potenzials für Nebenwirkungen bei gestillten Säuglingen durch Tremelimumab wird Frauen geraten, während der Behandlung und mindestens drei Monate nach der letzten Dosis nicht zu stillen.
Die Schuppenflechte (Psoriasis) ist eine häufige immunvermittelte Erkrankung. Schätzungen zufolge sind allein in Europa rund 14 Millionen davon betroffen. Psoriasis ist assoziiert mit verschiedenen Komorbiditäten, unter anderem auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, entzündliche Darmerkrankungen und Depression.
Bei etwa einem Viertel der Menschen mit Psoriasis liegen Formen der Erkrankung vor, die als mittelschwer bis schwer eingestuft werden. Besonders viele leiden an Psoriasis vulgaris, auch Plaque-Psoriasis genannt, die gekennzeichnet ist durch ausgeprägte runde oder ovale Hautläsionen, typischerweise bedeckt mit silbrig-weißen Schuppen. Zur Behandlung stehen topische, orale und biologische Therapien zur Verfügung. Nun ist ein weiteres Medikament hinzugekommen.
In Sotyktu® Filmtabletten ist der neue Wirkstoff Deucravacitinib enthalten. Es darf zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis bei Erwachsenen zum Einsatz kommen, wenn eine systemische Therapie infrage kommt. Wenn jemand nach 24 Therapiewochen keine Anzeichen für einen therapeutischen Nutzen aufweist, sollte jedoch ein Abbruch der Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Deucravacitinib blockiert die Wirkung des Enzyms Tyrosinkinase 2 (TYK2), das zur Familie der Januskinasen (JAK) gehört. Damit kann man Deucravacitinib auch als JAK-Inhibitor bezeichnen. TYK2 spielt eine wichtige Rolle beim Auslösen der Produktion von Zytokinen, welche an der Entzündung und anderen Prozessen, die Psoriasis verursachen, beteiligt sind. Durch die Hemmung von TYK2 verhindert Deucravacitinib die Bildung dieser Stoffe, wodurch die Entzündung verringert und die Symptome von Plaque-Psoriasis gelindert werden.
Die empfohlene orale Dosis beträgt 6 mg einmal täglich. Die Tabletten können unabhängig von einer Mahlzeit geschluckt werden. Bei schwerer Leberfunktionsstörung wird die Gabe von Deucravacitinib nicht empfohlen. Der Einsatz bei Menschen in einem Alter ab 75 Jahren sollte nur mit Vorsicht erfolgen.
Grundsätzlich kann Deucravacitinib das Infektionsrisiko erhöhen. Infektionen der oberen Atemwege kommen als Nebenwirkung sehr häufig vor. Patienten sollten angewiesen werden, ärztlichen Rat einzuholen, wenn Anzeichen oder Symptome auftreten, die auf eine Infektion hindeuten. Kontraindiziert ist der Einsatz des Kinasehemmers bei Vorliegen von klinisch bedeutsamen aktiven Infektionen. Vor Einleitung der Therapie sollten Patienten ferner auf eine vorliegende Tuberkulose-Infektion getestet werden. Die Anwendung von Lebendimpfstoffen sollte bei mit Deucravacitinib behandelten Personen vermieden werden.
Aus Vorsichtsgründen sollte auch die Anwendung des neuen Wirkstoffs während der Schwangerschaft vermieden werden. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Deucravacitinib verzichtet wird.