Zweiter neuer Antikörper |
Sven Siebenand |
26.09.2023 08:30 Uhr |
Das Multiple Myelom ist ein Blutkrebs, bei dem sich Plasmazellen im Rückenmark zu bösartigen Myelomzellen entwickeln. / Foto: Adobe Stock/LASZLO
Trotz vieler neuer Medikamente in den vergangenen Jahren ist das Multiple Myelom unheilbar. Diese Krebserkrankung geht von Plasmazellen im Knochenmark aus. Im Verlauf entwickeln sich Vorläuferzellen nicht regulär zu Antikörper-produzierenden Plasmazellen, sondern zu bösartigen Tumorzellen, den Myelomzellen.
Anfang September kam der Antikörper Teclistamab (Tecvayli®) in den Handel. Mitte September folgte nun Talquetamab (Talvey® Injektionslösung, Janssen-Cilag). Die Indikation beider Substanzen ist gleich: Sie sind jeweils als Monotherapie für Erwachsene mit rezidiviertem und refraktärem Multiplen Myelom bestimmt, die schon mindestens drei Vortherapien erhalten haben, darunter einen Immunmodulator, einen Proteasominhibitor und einen Anti-CD38-Antikörper, und deren Erkrankung dennoch weiter fortschreitet.
Wie Teclistamab ist auch Talquetamab ein bispezifischer Antikörper. Beide bringen zytotoxische T-Zellen in die Nähe von Krebszellen und begünstigten so deren Abtötung. Zum einen dockt Talquetamab – wie Teclistamab – an den CD3-Rezeptor auf T-Zellen an. Mit dem anderen »Arm« bindet Talquetamab aber nicht wie Teclistamab an das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA), sondern an das Protein GPRC5D (G Protein-Coupled Receptor, Family C, Group 5, Member D). GPRC5D ist ein anderes stark exprimiertes Target auf der Oberfläche von Zellen des Multiplen Myeloms.
Zurück zu den Gemeinsamkeiten: Wie Teclistamab wird auch Talquetamab subkutan injiziert. Der Neuling soll vorzugsweise in der Subkutangewebe am Bauch gespritzt werden. Wenn mehrere Injektionen erforderlich sind, sollten sie in einem Abstand von mindestens zwei Zentimeter zueinander erfolgen. Der Antikörper darf nicht in Tätowierungen, Narben oder Bereiche, in denen die Haut gerötet, gequetscht, empfindlich, verhärtet oder nicht intakt ist, injiziert werden.
Die empfohlene Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht. Ein wöchentliches oder zweiwöchentliches Dosierungsschema ist möglich. Beim wöchentlichen Dosierungsschema beginnt die Behandlung mit Injektionen an den Tagen 1, 3 und 5 in steigenden Dosen (Step-up-Dosierungsschema), beim zweiwöchentlichen Schema umfasst die Step-up-Phase Gaben an den Tagen 1, 3, 5 und 7. Ein bis drei Stunden vor den Injektionen in der Step-up-Phase erhalten die Patienten ein Corticoid, ein Anthistaminikum und ein Antipyretikum zur Verringerung des Risikos, ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) zu entwickeln. Nach der Dosissteigerung erhalten die Patienten einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen Erhaltungsdosen. Die empfohlene Dosierung beträgt dann 0,4 mg pro Kilogramm Körpergewicht beziehungsweise 0,8 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Auch vor diesen Injektionen kann die Gabe einer Prämedikation notwendig sein. Die Behandlung mit Talquetamab kann so lange fortgesetzt werden, bis es zum Fortschreiten der Erkrankung oder zu einer inakzeptablen Toxizität kommt. Vor der Behandlung mit Talquetamab sollten Ärzte auch eine Prophylaxe zur Verhinderung einer Infektion in Betracht ziehen.
In der Fachinformation gibt es Tipps zur Dosisänderung bei Nebenwirkungen. Die Liste möglicher Nebenwirkungen ist leider sehr lang. Zu den sehr häufigen zählen unter anderem CRS, Geschmacksstörungen, Hypogammaglobinämie, Nagelerkrankungen, Schmerzen des Muskel- und Skelettsystems, Anämie, Hauterkrankungen, Fatigue sowie Mundtrockenheit und Neutropenie.
Frauen im gebärfähigen Alter sollen während der Behandlung und bis drei Monate nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Talquetamab wird Schwangeren nicht empfohlen und Frauen sollten während der Behandlung und mindestens drei Monate nach der letzten Dosis nicht stillen. Talvey ist im Kühlschrank bei zwei bis acht Grad Celsius zu lagern.