Zyklusbedingte Migräne – was ist zu beachten? |
Caroline Wendt |
12.11.2024 08:00 Uhr |
Die Schmerzen bei Migräne sind häufig so stark, dass die Patientinnen nicht mehr in der Lage sind, am üblichen Leben teilzunehmen. / © Getty Images/Maria Korneeva
Starke einseitige Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit, Übelkeit: Wenn einmal im Monat nichts mehr geht, kann es sich um eine sogenannte zyklusbedingte Migräne handeln. Treten die Beschwerden zwei Tage vor bis drei Tage nach den Monatsblutungen auf und das bei mindestens zwei von drei aufeinanderfolgenden Zyklen, spricht man gemäß der internationalen Kopfschmerzklassifikation von einer menstruellen Migräne. Haben die Frauen auch zu anderen Zeitpunkten des Monatszyklus Beschwerden, handelt es sich um eine sogenannte menstruell assoziierte Migräne. Zusätzlich gibt es auch hier noch die Unterscheidung, ob die Schmerzattacken mit oder ohne eine Aura auftreten.
Frauen sind dreimal häufiger von Migräne betroffen als Männer. Etwa 20 Prozent der Patientinnen haben die Beschwerden in Abhängigkeit von ihrem Zyklus. Besonders heftig sind die Kopfschmerzattacken oft rund um die Regelblutungen oder bei Beginn der Wechseljahre. Während der Schwangerschaft oder auch nach Ende der Menopause verbessern sich die Symptome häufig. Diese Beobachtung legt nahe, dass Hormonschwankungen, insbesondere ein abrupter Östrogenabfall, das Auftreten einer Migräne begünstigen können. In 80 Prozent der Fälle handelt es sich dabei bei um eine Migräne ohne Aura.
Untersuchungen an Tieren haben gezeigt, dass Hormonschwankungen, insbesondere von Östrogen, zu einer verstärkten Freisetzung des Calcitonin Gene-Related Peptid (CGRP) im Gehirn führen. Dieses Peptid wird derzeit als entscheidend für die Schmerzentstehung bei Migräne angesehen. Es wirkt gefäßerweiternd und bewirkt so eine Entzündung.
Forscher der Charité in Berlin überprüften, ob dieser Zusammenhang auch bei Menschen besteht. Hierfür ermittelten sie bei 180 Frauen die CGRP-Konzentration im Blut: einmal zum Zeitpunkt des Eisprungs und einmal kurz vor der Periode. Im Vergleich zu Frauen ohne Migräne hatten Patientinnen mit Beschwerden während der Menstruation einen deutlich höheren CGRP-Spiegel. Das könne erklären, warum die betroffenen Frauen kurz vor und während der Monatsblutung häufiger Migräneattacken erleben, so die Wissenschaftler der Charité. Da aber auch Frauen ohne Hormonschwankungen Migräne bekommen können, scheinen noch andere Prozesse im Körper eine Attacke auslösen zu können.
Neben den natürlichen Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus können auch Hormonpräparate wie die Antibabypille eine Migräneattacke auslösen. Hier fällt der Östrogenspiegel mit Einnahme der letzten Tablette aus dem Blister und der damit verbundenen Einnahmepause ab. Denn bei den meisten Antibabypillen handelt es sich um kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) mit einer Östrogen- und einer Gestagen-Komponente.
Könnten menstruelle Migräneattacken dann im Umkehrschluss durch Hormongaben verhindert werden? In einer gemeinsamen Information der Schmerzklinik Kiel, der Migräne Liga Deutschland und der Techniker Krankenkasse heißt es dazu, dass östrogenhaltige Gele oder Pflaster zwar die erwartete Migräneattacke abwenden könnten, nach dem Absetzen der Arzneimittel träten die Schmerzen dafür gehäuft wieder auf.
Laut der Information kann der Gebrauch einer Antibabypille im sogenannten Langzyklus besser sein. Hierbei nehmen die Patientinnen die Hormone länger als die üblichen 21 Tage, manchmal sogar kontinuierlich ein. Bleibt die Periode aus, bleiben häufig auch die Migräneattacken aus. Zudem sind Präparate mit einer geringen Hormonkonzentration zu bevorzugen. Des Weiteren können andere Verhütungsmethoden wie die Spirale oder eine Dreimonatsspritze eine Alternative darstellen.
Anders sieht es aus, wenn Patientinnen unter Migräne mit Aura leiden. Hier rät die Weltgesundheitsorganisation (WHO) grundsätzlich davon ab, mit hormonell wirksamen Präparaten zu verhüten. Der Grund: Diese Frauen haben ein leicht, aber signifikant erhöhtes Risiko einen Schlaganfall oder andere vaskulär bedingte Erkrankungen zu erleiden. Die zusätzliche Einnahme eines KOK würde dieses Risiko noch erhöhen. Für Migräne-Patientinnen ohne Aura, aber mit weiteren Risikofaktoren für einen Schlaganfall (Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, Hyperlipidämie und Thrombophilie, Alter über 35 Jahre) gilt die gleiche Empfehlung.
Obwohl die Datenlage bisher noch limitiert ist, scheinen orale Gestagen-Monopräparate (POP) das Risiko arterieller Thromboembolien hingegen nicht zu erhöhen, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in ihrer Leitlinie. Demnach dürfen Migräne-Patientinnen mit oder ohne Aura POP einnehmen, insofern sie keine weiteren Risikofaktoren für einen Schlaganfall aufweisen. Vorläufige Ergebnisse zweier Pilotstudien deuten zudem darauf hin, dass bei Einnahme reiner Gestagenpräparate (Desogestrel 75 µg) die Migräneattacken weniger schwer ausfallen. 30 beziehungsweise 38 Patientinnen hatten in Schmerztagebüchern erfasst, dass sowohl die Schmerzintensität als auch die Dauer der Migräneattacke zurückgingen. Um die Ergebnisse dieser Untersuchungen zu bestätigen, müssen weitere Studien durchgeführt werden. Auch sollte hierbei der Unterschied zwischen Migräne mit oder ohne Aura berücksichtigt werden.
Patientinnen mit zyklusabhängiger Migräne können dieselben Schmerzmittel einnehmen wie sie bei hormonunabhängiger Migräne üblich sind. Da die Attacken in der Regel besonders lange andauern, empfiehlt die Kieler Schmerzklinik, langwirksame Präparate wie Naproxen, Naratriptan oder Frovatriptan. Ist das Ansprechen auf diese Therapie unzureichend, kann in ärztlicher Absprache eine sogenannte Kurzzeitprophylaxe durchgeführt werden. Hier nehmen die Patientinnen zwei Tage vor der erwarteten Migräneattacke Naproxen oder Triptane für fünf bis sieben Tage ein.
Haben Frauen auch zu anderen Zeitpunkten im Zyklus Schmerzen, können sie diese Methode nicht nutzen. Sie würden sonst zu häufig zu Schmerzmitteln greifen und die Grenzschwelle für Analgetika von zehn Tagen im Monat schnell überschreiten. Durch Schmerzmittel bedingte Kopfschmerzen könnten die Folge sein.