5-Hydroxytryptophan gegen Heißhunger? |
Am bekanntesten in Laienkreisen ist vermutlich die Rolle von Serotonin bei Depressionen. Als Antidepressivum war bis 1992 das rezeptpflichtige Arzneimittel »Levothym« auch auf dem deutschen Markt vertreten. Levothym-Kapseln enthielten 100 mg 5-HTP. Die Serotonin-Vorstufe wurde zur Behandlung von Depressionen eingesetzt, da sie anders als Serotonin die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. In älteren Studien konnten gewisse Erfolge mit Tryptophan und 5-HTP als Antidepressivum gezeigt werden. Weitere Studien zeigten, dass 5-HTP bei Patienten mit Panikstörung im Vergleich zu Placebo die Anzahl der Panikattacken und das Angstgefühl signifikant reduzieren konnte.
Es gibt noch mehr Effekte, die der Aminosäure zugeschrieben werden und für die es gewisse klinische Hinweise gibt. Im Jahr 2015 wurde die Wirkung bei Kindern zur Vorbeugung der Reisekrankheit untersucht. In Gruppe A erhielten die Teilnehmer einen Griffonia/Magnesium-Komplex (50 beziehungsweise 200 mg) drei Monate lang zweimal täglich oral zur Prophylaxe, Gruppe B erhielt keine Therapie. Nach drei Monaten zeigte Gruppe A eine deutlich geringere Prävalenz der Reisekrankheit (36 Prozent) als Gruppe B (73 Prozent). Die Substanz wurde auch zur Prophylaxe von Migräne und Kopfschmerzen untersucht und könnte möglicherweise bei Schlafstörungen helfen. Andere Studiendaten weisen auf gewisse Effekte bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson hin.
Aus pharmakologischer Sicht ist die Serotoninvorstufe durchaus interessant. Die Frage ist, ob die Anwendung sicher ist. Zur Marktrücknahme von Levothym hatten mögliche Verunreinigungen geführt. Bereits 1989 waren Tryptophan-haltige Schlafmittel verboten worden, weil im Zusammenhang mit der Einnahme das Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (EMS) aufgetreten war. Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine seltene neurologische Störung, die mit einer Vermehrung der eosinophilen Granulozyten im Blut, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautveränderungen und zum Teil irreversiblen Organschäden einhergeht. Das kontaminierte synthetische Tryptophan stammte damals wohl nur von einem einzelnen Hersteller. Dann erkrankte jedoch sowohl in den USA als auch in Italien je ein Patient an EMS in Verbindung mit 5-HTP. Das Tryptophan-Abbauprodukt wurde daraufhin ebenfalls aus dem Verkehr gezogen.
Aktuell ist in Deutschland legal nur das natürliche, in den Samen der afrikanischen Schwarzbohne enthaltene 5-HTP als Bestandteil des Extraktes in NEM auf dem Markt. Als Nebenwirkungen wurden hier bisher Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Herzrasen berichtet. Ein wichtiger Warnhinweis vom Apothekenteam betrifft Wechselwirkungen mit Medikamenten. 5-HTP darf nicht zusammen mit Präparaten eingenommen werden, die ebenfalls auf den Serotoninspiegel wirken. Das trifft auf Antidepressiva wie trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) zu.
Es kann sonst ein Serotonin-Syndrom resultieren, das mit psychischen Veränderungen sowie autonomer und neuromuskulärer Hyperaktivität einhergeht und potenziell lebensbedrohlich ist. Die Gefahr für ein Serotonin-Syndrom besteht auch, wenn Patienten 5-HTP in sehr hohen Dosen konsumieren. Die Kombination von 5-HTP mit dem Parkinson-Medikament Carbidopa führt zu einer verringerten peripheren Decarboxylierung von 5-HTP zu Serontonin und erhöht damit die Bioverfügbarkeit für die Hirnpenetration. Übelkeit und Erbrechen als unerwünschte Wirkungen können sich verstärken. Warnhinweise zu Neben- und Wechselwirkungen fehlen auf den NEM allerdings sehr oft. Meist unterbleibt auch die Angabe, dass sich 5-HTP weder für Schwangere noch für Stillende oder Kinder eignet.