Aminosäure mit Potenz(ial)? |
Webeaussagen suggerieren, dass eine Supplementation von L-Arginin die Durchblutung steigern und dadurch Männern mit Erektionsproblemen helfen könnte. Eine entsprechende gesundheitsbezogene Aussage (Health Claim) hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aber nicht genehmigt. In einer wissenschaftlichen Stellungnahme aus 2011 hat die EFSA dieses Gesundheitsversprechen und weitere beantragte Health Claims abgelehnt, da sie die Aussagen als nicht ausreichend belegt befand. Daher gibt es aktuell keine gesundheitsbezogenen Aussagen für L-Arginin, mit denen Hersteller legal werben dürfen.
Viele Präparate enthalten allerdings oft weitere Bestandteile, für die Health Claims zugelassen sind, die eine Wirkung auf die Potenz und sexuelle Leistungsfähigkeit implizieren. So ist es zum Beispiel erlaubt, damit zu werben, dass die Vitamine B2, B6, B12 sowie Magnesium und Eisen dazu beitragen, Müdigkeit und Ermüdung zu verringern. Bei Vitamin C, Magnesium und Eisen dürfen Hersteller sagen, dass die Zusätze zu einem normalen Energiestoffwechsel beitragen. Bei Zink und Selen ist die Aussage erlaubt, dass diese einen »Beitrag zum normalen Testosteronspiegel« respektive »zur normalen Spermienbildung« leisten. Weitere mögliche Beimischungen sind anregend und durchblutungsfördernd wirkende Substanzen wie Koffein oder Guarana.
Die Vorstellung, dass L-Arginin bei Männern potenzsteigernd wirkt, geht auf einige kleinere Studien zurück. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass L-Arginin in Studien zwar bei leichten und mittleren Erektionsstörungen eine gewisse Wirksamkeit gezeigt hat. Die Ergebnisse waren allerdings nicht einheitlich. Es unterschieden sich die Dosen an eingesetztem L-Arginin und in einigen Studien prüften Wissenschaftler nicht L-Arginin allein, sondern in Kombination mit den potenzsteigernden Phosphodiesterase-(PDE-)5-Hemmern Sildenafil und Tadalafil oder L-Arginin kombiniert mit pflanzlichen Inhaltsstoffen.
Den Kenntnisstand haben 2019 Autoren aus Südkorea zusammengefasst. Sie untersuchten in einer Metaanalyse die Wirksamkeit und Sicherheit von L-Arginin-Präparaten bei erektiler Dysfunktion als Alternative zu PDE-5-Hemmern. Um die Ergebnisse besser interpretieren zu können, führten sie Untergruppenanalysen für L-Arginin allein und L-Arginin in Kombination mit anderen Substanzen durch. Die Analyse zeigte, dass L-Arginin-Präparate mit einer Dosierung von 1500 bis 5000 mg eine erektile Dysfunktion im Vergleich zu Placebo oder keiner Behandlung signifikant verbessern konnten. Sie verbesserten zudem signifikant Subdomain-Scores auf dem Internationalen Index der erektilen Funktion (IIEF) für die Gesamtzufriedenheit, die Zufriedenheit mit dem Geschlechtsverkehr, die Orgasmusfunktion und die erektile Funktion. Der IIEF-Score für das sexuelle Verlangen blieb unverändert.
2021 wurde in einer systematischen Überprüfung die Evidenz für alternative Medikamente und pflanzliche Heilmittel bei erektiler Dysfunktion untersucht. L-Arginin zählte zu den Behandlungen, denen die Wissenschaftler eine Evidenz basierend auf den IIEF-Ergebnissen zusprachen. Die Wirkmechanismen sind jedoch unklar; ein Einfluss auf die Stickstoffmonoxid-Synthese wird angenommen. Wichtig ist laut den Autoren, dass Lebensstilinterventionen wie eine gesunde Ernährung und körperliche Betätigung ebenfalls die erektile Dysfunktion verbessern können.