Angst vor Spritzen ist behandelbar |
Auch der Psychotherapeut Enno Maaß behandelt in seiner Praxis im niedersächsischen Wittmund Menschen mit einer Spritzen-Phobie. Er sieht Betroffene in seiner Praxis, die manchmal schwere Folgeerkrankungen haben – beispielsweise einen schlechten Zahnzustand oder unerkannte Diabetes-Erkrankungen. Aus Scham und Angst gingen manche Betroffene gar nicht mehr zum Arzt, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV).
Die Entscheidung und Motivation, eine Therapie zu machen, sei der größte Schritt für Betroffene. »Der Rest ist dann in der Regel gut behandelbar«, so Maaß. Es spiele zudem eine Rolle, wie lange jemand von der Phobie schon geplagt sei. Vom ersten Auftreten einer psychischen Erkrankung bis zur Psychotherapie würden bei vielen Erkrankungen zwischen sieben und zwölf Jahren vergehen, erklärt der psychologische Psychotherapeut. In manchen Fällen helfe eine Langzeittherapie besser als ein Kurzprogramm. In einer ambulanten Therapie erhalte man im Gegensatz zum Kurzprogramm ein zugeschnittenes und individuelles Angebot, das sich auch mit dem persönlichen Kontext wie dem familiären Umfeld und den bisherigen biografischen Erfahrungen beschäftige.
Ein Problem ist laut Maaß, dass sich Angststörungen über Vermeidungsverhalten verstärken. Bei jedem Vermeiden sei eine Lernkurve dabei, die dem Betroffenen bestätige, dass die Situation wirklich etwas Gefährliches an sich habe. »Dadurch, dass ich etwas vermeide, gebe ich mir selbst das Signal, dass es wohl besser ist, das zu vermeiden«, erklärt er.
Dass man die Phobie mithilfe von Vernunft nicht kontrollieren kann, ist dem Angsterkrankungs-Experten Borwin Bandelow zufolge typisch. Phobien spielten sich in einem Teil des Gehirns ab, über den man keine Kontrolle habe. Die Ursprünge solcher Ängste lägen weit in der Vergangenheit, erklärt der Psychiater und Psychologe an der psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. Einst habe man sich möglichst nicht verletzen dürfen – schon, sich an einem Dorn zu stechen, habe im Zuge von Infektionen den Tod bedeuten können. »Alle Menschen haben eben einen Piks vermieden wie die Pest.«
Betroffenen rät Angstforscher Bandelow, sich mit der Angst direkt zu konfrontieren und sich impfen zu lassen. Bei einer sehr starken Phobie könne man sich notfalls ein Beruhigungsmittel verschreiben lassen und zur Impfung mitnehmen. Angehörige sollten behutsam mit Betroffenen umgehen und sie zu einem Impftermin begleiten. »Das Tun und Machen ist wichtiger als das Reden«, erklärt er.