Anwendung jenseits von Verhütung |
Ähnlich verhalte es sich bei Migräne, die bei Frauen im gebärfähigen Alter durch Hormonschwankungen ausgelöst werden kann – oftmals kurz vor der Monatsblutung bis zum dritten Blutungstag. »Man nimmt an, dass der Abfall der weiblichen Hormone im Blut am Zyklusende diese Migräneattacken auslöst«, erklärt der Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, Dr. Christian Albring. Der Zusammenhang müsse bei der Auswahl der Verhütungsmethode berücksichtigt werden, denn je nach Zusammensetzung der Pille und je nach den individuellen Auslösern könne sie eine Migräne sogar verschlimmern. So falle bei Frauen, die mit einer Kombinationspille verhüten, der Hormonspiegel in der »Pillenpause« ab, was bei manchen Migränepatientinnen die gefürchteten Kopfschmerzen auslösen oder verstärken könne.
Frauenärzte raten Betroffenen daher zu niedriger dosierten Präparaten, die entsprechend weniger Hormonschwankungen mit sich bringen, oder auch zu Östrogen-freien Verhütungs-Varianten (Minipille). Solche reinen Gestagenpillen seien auch bei Migränepatientinnen mit Aura angezeigt, das heißt wenn die Patientinnen vor oder während der Attacken an Seh- , Gefühls- oder Sprachstörungen leiden. Da die neurologischen Symptome auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko hindeuten und kombinierte Kontrazeptiva erwiesenermaßen die Thrombosegefahr erhöhen würden, sei in diesem Fall Vorsicht geboten, erläutert Seifert-Klauss.
Alternativ kann eine Einnahme im Langzeitzyklus helfen. Dabei wird die Pille bis zu sechs Monate ohne Pause durchgenommen. Die Migräneattacken treten dann nicht mehr monatlich, sondern erst bei der Abbruchblutung auf, idealerweise deutlich schwächer oder sogar kaum noch wahrnehmbar. Eine solche Maßnahme könne auch bei Anämie hilfreich sein, betont Seifert-Klauss: »Immerhin sind Blutarmut und Eisenmangel bei rund 12 Prozent der Frauen durch eine starke Periode bedingt.«
Eine entscheidende Rolle spielen Hormone auch beim Prämenstruellen Syndrom (PMS) und damit bei einer Reihe von körperlichen und psychischen Beschwerden, die zyklisch einige Tage bis zwei Wochen vor Einsetzen der Periode auftreten. Zwar haben nicht alle Frauen mit PMS einen veränderten Hormonspiegel, doch gerade PMS-betroffene Frauen, deren Hormonspiegel im üblichen Bereich liegt, reagieren vermutlich besonders empfindlich auf starke Schwankungen des Östrogenspiegels und/oder auf ein Zuviel oder Zuwenig von Progesteron. Zudem wird eine Wechselwirkung der Hormone mit Botenstoffen im Gehirn vermutet.
»Belegt ist, dass viele Frauen mit PMS unter der Pille weniger Beschwerden haben als Frauen mit Spontanzyklus«, berichtet Seifert-Klauss. Ein Grund dafür sei, dass die Hormonversorgung gleichmäßiger ist, als im Spontanzyklus bei Frauen, die zu starken Hormonschwankungen neigen. Pillen, die natürliches Östrogen enthalten, linderten in einer Studie PMS-Beschwerden etwas besser als solche mit synthetischem Ethinylestradiol. Bei schwerem PMS kann ebenfalls ein Langzeitzyklus in Frage kommen.
Auch Frauen, die unter Zysten am Eierstock beziehungsweise am Polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) leiden, könnten von der Pille profitieren, erklärt die Endokrinologin. »Unter Einnahme der Pille wird die Follikelreifung gebremst, sodass kaum noch Zysten entstehen können.« Darüberhinaus schütte der Eierstock unter der Pille weniger Androgene aus, weshalb sie manchmal bei schwerer Akne verschrieben werde. Männliche Sexualhormone aktivieren unter anderem die Talgdrüsen. Das in der Pille enthaltene Gestagen verringere nicht nur die Menge der männlichen Hormone, sondern auch deren Wirkung, sodass sich die Talgdrüsen idealerweise beruhigen würden.
Die klassische Antibabypille ist die Kombinationspille. Sie enthält, wie der Name schon vermuten lässt, eine Kombination aus einem Östrogen – in der Regel Ethinylestradiol – und einem Gestagen. Kombinationspillen lassen sich noch einmal in sogenannte Einphasen- oder Zwei- und Dreiphasenpräparate einteilen. Einphasenpräparate enthalten in jeder Pille die gleiche Menge Hormone und sind somit relativ leicht in der Handhabung. Bei Mehrstufenpräparaten variiert die Dosierung der beiden Hormone hingegen innerhalb eines Zyklus, was die natürlichen Hormonschwankungen nachahmen soll. Jedoch müssen Anwenderinnen die Reihenfolge der Einnahme hier immer genau beibehalten.
Der Begriff Mikropille beschreibt eine Weiterentwicklung der klassischen Antibabypille. Sie enthält definitionsgemäß weniger als 50 Mikrogramm Östrogen. Da die meisten Kombinationspillen inzwischen einen Östrogenanteil von 20 bis 30 Mikrogramm aufweisen, zählen sie automatisch als Mikropille. Doch Vorsicht: Nicht verwechselt werden sollte sie mit der Minipille, die nur eine Gestagen in niedriger Dosierung enthält und somit östrogenfrei ist. Das soll unter anderem Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Thromboserisiko minimieren. Nachteil ist, dass ihre Anwendung in der Regel größere Disziplin als die der Kombinationspille verlangt, da sie für eine sichere Schutzwirkung jeden Tag zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden sollte.