Arzneimittel und Licht |
Zu den Arzneimitteln, die am häufigsten photosensibilisierend wirken, zählen Amiodaron, Chlorpromazin, Doxycyclin, Hydrochlorothiazid, Naproxen, Piroxicam, Tetracyclin, Vemurafenib und Voriconazol. In Deutschland ist für die Nebenwirkung Hydrochlorothiazid am meisten relevant, da es so häufig eingesetzt wird. Wesentlich stärker phototoxisch als das Diuretikum wirkt das Antiarrhythmikum Amiodaron. Es ist jedoch insgesamt für weniger Meldungen von Nebenwirkungen verantwortlich, da Ärzte es seltener als zum Beispiel Hydrochlorothiazid verordnen. Für die Reaktion sind Amiodaron und sein aktiver Metabolit Desethylamiodaron verantwortlich. Bei Bestrahlung bewirken sie, dass sich reaktive Verbindungen wie freie Sauerstoffradikale bilden. Diese können DNA und Zellmembranen zerstören und zur Oxygenierung von Lipiden führen. Patienten weisen erythematöse oder ekzematöse Veränderungen mit begleitendem Juckreiz an den Stellen auf, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Die Symptome beginnen einige Minuten nach der Sonnenexposition, halten bis zu 24 Stunden an und klingen in der Regel nach etwa 48 Stunden ab. Da die Eliminationszeit von Amiodaron durchschnittlich 35 bis 40 Tage beträgt, können phototoxische und photoallergische Reaktionen noch einige Monate nach dem Absetzen auftreten.
Weitläufig bekannt ist die erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut bei Johanniskraut. Die Nebenwirkung tritt jedoch nicht so häufig auf wie befürchtet. Um einen Hypericismus hervorzurufen, sind die üblichen Dosen, die Patienten mit Tabletten oder Tees einnehmen, zu gering. Unter den Antibiotika ist Doxycyclin ein wichtiger Auslöser für Photosensitivität. Die Nebenwirkung ist besonders relevant, da Doxycyclin für die Malariaprophylaxe eingesetzt wird und Reisende in Malariagebieten meist einer erheblichen Sonnenexposition ausgesetzt sind.
Wenn ein Arzneimittel als Auslöser für phototoxische Reaktionen ausgemacht wurde, wendet der Patient dieses bestenfalls nicht mehr weiter an. Die langfristige Einnahme von phototoxischen Arzneimitteln lässt das Hautkrebsrisiko ansteigen. In einigen Fällen hilft eine Dosisreduktion, um Hautreaktionen zu vermeiden. Dazu kann die PTA bei OTC-Medikamenten ermutigen. Medikamente mit kurzer Halbwertszeit nehmen Patienten am besten abends ein. Bei photoallergischen Reaktionen hilft es hingegen meistens nicht, die Dosis zu verringern.
Oft kann der Arzt einen Ersatz verschreiben, wenn eine Photosensibilisierung auftritt. Ist dies nicht möglich und ist das Medikament wichtig für den Patienten, bleibt nur, dass sich der Betroffene vor UV-Strahlen schützt. Wichtig hierbei: Glas und dünne Kleidung halten zwar UV-B-Strahlung weitgehend ab, nicht aber UV-A-Strahlen. Künstliche UV-Strahlungsquellen wie Phototherapielampen, Solarien, LED oder UV-Laser können ebenfalls lichtinduzierte Schäden auslösen.
Sonnenschutzmittel aus der Apotheke schützen auch vor der hauptsächlich für Photosensiblisierungen verantwortlichen UV-A-Strahlung. Der Lichtschutzfaktor sollte mindestens 50 betragen. Bei den einzelnen Präparaten ist angegeben, wie lange sie vor der Sonnenexposition auf die Haut aufgebracht werden müssen. Möglicherweise muss zwischendurch nachgecremt werden. Im Freien tragen Patienten am besten bedeckende Kleidung, breitkrempige Hüte und Sonnenbrille. Gewebte Textilien halten UV-Strahlung nicht zuverlässig ab. Auskunft darüber, wie durchlässig ein Kleidungsstück für UV-Strahlen ist, gibt der UV-Schutzfaktor (UPF). Er ist ein Maß für das Eindringen der UV-Strahlung durch das Gewebe. Der UPF von Kleidung hängt von Fasergehalt, Farbe und Zusatzstoffen ab und kann sich im Laufe der Zeit verändern, wenn der Stoff abgenutzt wird. Patienten mit einem Risiko für phototoxische oder photoallergische Reaktionen achten auf Kleidung mit einem UPF von 40 oder höher.
Spezielle Smartphone-Apps können die aktuellen UV-Werte anzeigen. Die SunSmart Global UV-App wird von der WHO empfohlen. Sie gibt fünftägige UV-Vorhersagen und den UV-Index für den ausgewählten Ort an. Die App empfiehlt weiterhin, in welchen Zeitfenstern Patienten am besten Sonnenschutz oder andere Schutzmaßnahmen anwenden sollten. Sind bereits Schäden vorhanden, kann eine kurzzeitige Behandlung mit topischen oder systemischen Glucocorticoiden angezeigt sein. Bei akuten photoallergischen Symptomen können wie bei einer allergischen Kontaktdermatitis Antihistaminika helfen.
Bei einigen Arzneimitteln leidet unter Lichteinfluss die Stabilität. Zu den lichtempfindlichen Wirkstoffen zählen unter anderem Amiodaron, Amlodipin, Cefaclor, Chinin, Cyanocobalamin, Furosemid, Isotretinoin, Molsidomin, Nifedipin, Nitrendipin und Zopiclon. Unter Lichteinfluss können Wirkstoffverluste eintreten oder phototoxische Abbauprodukte entstehen. Pharmazeutische Unternehmer müssen die Photostabilität neuer Wirkstoffe und Arzneimittel untersuchen und Hinweise zur Lagerung vorgeben. In der Fachinformation stehen die Lagerungshinweise unter Punkt 6.4 »Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung« und in der Gebrauchsinformation unter Punkt 5. Lichtempfindliche flüssige Arzneiformen füllen Hersteller in Braunglasflaschen ab, feste Arzneiformen befinden sich zum Lichtschutz in Alu-Alu-Blistern.
Bei lichtempfindlichen Wirkstoffen optimieren viele Hersteller auch die Galenik. Tabletten können zum Beispiel mit einem vor Licht schützenden Überzug versehen werden. Einige Arzneimittel müssen nach Angaben in der Fachinformation lichtgeschützt appliziert werden. Das betrifft unter anderem manche Vitamine, Antiinfektiva, kardiovaskulär und auf das zentrale Nervensystem wirkende Substanzen oder auch einige Elektrolytlösungen. Zur Applikation kann die Infusionsflasche mit einer speziellen Hülse geschützt oder mit Aluminiumfolie umwickelt werden. Spritzen und Appliziersysteme bieten einige Firmen auch von vorneherein lichtundurchlässig an.