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Antibakterielle Produkte

Keimfrei mit Kehrseite

Hygienereiniger, antibakterielle Waschmittel oder keimtötende Kleidung sollen den Werbeaussagen der ­Her­steller zufolge vor Infektionen schützen. Gesundheits­behörden und Umweltverbände sehen in einer chemischen Entkeimung der Haushalte beträchtliche Gefahren für die Gesundheit und das ­ökologische Gleichgewicht.
Inga Richter
11.01.2016  11:22 Uhr

In einem der Werbespots krabbelt ein Baby durch die Wohnung. »Alles nimmst du in den Mund«, sagt die Mutter und ihre Aufgabe sei es, alles sauber und sicher zu machen. Genauer beschrieben wird die drohende Gefahr nicht. Jeder weiß, dass sich in Schmutz und Essensresten Bakterien entwickeln, welche die Familie mit einer Erkältung oder Grippe infizieren könnten. Daher ist Sauberkeit im Haushalt unerlässlich, vor allem in der Küche. In der Werbung jedoch lautet die unausgesprochene Botschaft: Eine liebende Mutter sprüht, wischt und wäscht mit antimikrobiellen Produkten.

An den Informationen auf den Webseiten der Hersteller gibt es wissenschaftlich nichts zu rütteln. Mikroorganismen sind tatsächlich überall. Ohne Zweifel kann eine Infektion durch Keime am Telefonhörer, Türgriff, Spielzeug und Kinderstuhl übertragen werden. Mög­licherweise aber auch außerhalb der eigenen vier Wände, beispielsweise durch den verschnupften Beifahrer im Bus oder die Freundin im Kindergarten. Davor sicher sein kann theoretisch niemand. Sicher ist jedoch, so betonen die Kritiker von Hygieneprodukten für den Haushalt, dass nur die wenigsten Mikroben krank machen. »Das Szenario der allgemeinen Bedrohung durch Keime ist eine Erfindung von Marketingstrategen und Panikmache«, sagt Armin Schuster vom Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg.

Ob Sagrotan, Meister Proper oder Ariel, ob keimfreie Klobrillen, Müllsäcke oder Socken – viele Unternehmen zielen auf die Angst der Menschen vor ansteckenden Krankheiten. »Eine Wirksamkeit dieser Ausstattung ist oft nicht nachgewiesen«, so die Experten des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Selbst wenn die Hersteller die beanspruchte Wirkung belegen können, ob oder inwieweit Infektionserkrankungen dadurch tatsächlich eingedämmt werden, bleibt unklar. Das BfR warnt: »Dagegen sind die eingesetzten Mittel für die Gesundheit als gefährlich einzuschätzen.«

Wichtige Aufgaben

Nachgewiesenermaßen sind die all­gegenwärtigen Winzlinge für das Überleben des Menschen und für die Umwelt unentbehrlich. Sie bilden die Grundlage vieler Nahrungsketten, produzieren Sauerstoff und sorgen für das Recycling von Abfallstoffen. Rund 100 Billionen Bakterien leben auf und im menschlichen Körper, etwa zehnmal mehr als die Gesamtzahl aller Zellen. Auf der Haut regulieren sie den Säureschutzmantel, in der Darmflora spielen sie eine wichtige Rolle für die Verdauung, andere unterstützen das Immunsystem dabei, einen Großteil ihrer infektiösen Mitstreiter abzuwehren. Ein Teil dieser Keime wird durch Desinfektionsmittel abgetötet. Im Übermaß eingesetzt haben sie gesundheitliche und ökologische Folgen.

Hygiene im Haushalt

  • Häufig Händewaschen, vor allem nach dem Toilettengang und vor der Zubereitung von Speisen
  • Hygienisch in die Armbeuge ­husten
  • Einfache Putzmittel zur Reinigung verwenden, bestenfalls auf Basis von Zitronensäure und Essig
  • Putzlappen, Handtücher, Spül- und Zahnbürsten häufig wechseln
  • Kühlschrank regelmäßig reinigen
  • Abfalleimer oft leeren
  • Bad, WC und Küche trocken halten
  • Alle Wohnräume regelmäßig lüften
  • Rohes Fleisch nicht mit Speisen in Kontakt kommen lassen, die nicht mehr erhitzt werden
  • Bei gekühlten Lebensmitteln die Kühlkette nicht unterbrechen
  • Erkrankte sollten zu Hause bleiben
  • Benutzte Einmaltaschentücher in gesonderte Beutel entsorgen

 

Quelle: Informationen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), »Wir gegen Viren«, der nationalen österreichischen Umweltbundesamt GmbH Wien sowie Greenpeace Austria

Laut Studien leiden Kinder, die auf einem Bauernhof oder mit einem Haustier aufwachsen, seltener an Allergien als jene, die in einer reinlichen Stadtwohnung leben. Experten vermuten, dass das Immunsystem durch eine keimverarmte Umgebung geschwächt wird beziehungsweise während der Phase, in der sich die nicht angeborene Immunabwehr entwickelt, nicht ausreichend gefordert wird. Dadurch würde es auf harmlose Substanzen aus der Umwelt überreagieren und könne andererseits Krankheitserreger schlechter abwehren. Die Verbraucherzentrale Hamburg macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: »Durch Abwässer gelangen Desinfektionsmittel in die Kläranlagen.« Dort vernichten sie für die Reinigung benötigte Bakterienstämme.

»Desinfektionsmittel gehören nicht in den Haushalt!«, so das BfR. Als »überflüssig« und extrem schädlich betiteln Umweltbundesamt, das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin sowie das Robert Koch-Institut (RKI) die chemische Entkeimung im Haushalt. Bei einem Vergleich der Zeitschrift »Ökotest« fielen diese Produkte gleich reihenweise durch. Etwa die Hälfte der 24 Hersteller blieben den Nachweis schuldig, dass ihr Produkt die beworbene antibakterielle Wirkung überhaupt erfüllt. »Die Aussage ›antibakteriell‹ oder ›wirkt desinfizierend‹ ist ohne definierte Testung willkürlich und wertlos«, sagt Schuster. Dafür fanden die Tester in den Produkten aber jede Menge bedenklicher Substanzen wie Benzalkoniumchlorid, laut Stiftung Warentest in Bezug auf unerwünschte Wirkungen »das problematischste Konservierungsmittel«.

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