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Tinnitus

Dem Geräusch kein Gehör schenken

Zwischen 5 und 15 Prozent aller Erwachsenen erleben mindestens einmal in ihrem Leben eine Tinnitus-Episode. Sie hören also über längere Zeit Geräusche, die nicht durch Laute von außen bedingt sind. Wie sehr sie dieses Phänomen belastet und was sie dagegen tun können, ist von Fall zu Fall verschieden.
Barbara Erbe
03.04.2017  10:20 Uhr
Dem Geräusch kein Gehör schenken

Wer ein lautes Konzert besucht, mit dem Schlagbohrer arbeitet oder auch auf engem Raum mit lebhaften Kindern spielt, hört in der anschließenden Stille oft ein unangenehmes Pfeifen oder Rauschen im Ohr. Ein vergleichbar leises Geräusch, das von innen kommt, vernimmt auch, wer einmal in Ruhe in sich hineinhört. In beiden Fällen verschwindet die Wahrnehmung bald von selbst wieder, und die Betroffenen denken nicht weiter darüber nach.

Grundsätzlich sind Ohrgeräusche auch bei gesunden Menschen vorhanden, erläutert Dr. Helmut Schaaf, Oberarzt an der Tinnitus-Klinik Dr. Hesse in Bad Arolsen. »Sie werden nur von den meisten nicht als solche wahrgenommen und – was wichtiger ist – nicht dauerhaft beachtet.« Empfinden Menschen jedoch Ohrgeräusche über längere Zeit und ohne ersichtlichen Grund, haben sie einen Tinnitus aurium, Lateinisch für »Klingeln der Ohren«, oder kurz Tinnitus.

Das Innenohr, erklärt Schaaf, ist wegen seiner vielen aktiven Sinneszellen tatsächlich ein sehr lauter Ort. Vergleichbar sei das dort vorherrschende Ohrgeräusch in etwa mit dem leisen Grundrauschen einer eingeschalteten Stereoanlage: Auch das ist immer da, aber man bemerkt es nur, wenn gerade keine Musik abgespielt wird. Das Rauschen im Ohr hören Menschen nur dann intensiv, wenn es Alltagsgeräusche übertönt. Oder wenn sie sich so sehr darauf konzentrieren, dass Ablenkung kaum noch möglich scheint.

Verschiedene Schweregrade

Mediziner unterscheiden zwischen verschiedenen Arten und Stärken des Tinnitus. Den sehr seltenen objektiven Tinnitus kann auch der Arzt hören, beziehungsweise dessen Nervensignale nachweisen, erklärt Andreas Waltering, Internist und Stellvertretender Ressortleiter Gesundheitsinformation am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). »Das ist zum Beispiel bei einem durch Gefäßprobleme bedingten Tinnitus der Fall, bei dem die Pulsgeräusche in der Halsschlagader durch ein Stethoskop hörbar sind.« Den wesentlich stärker verbreiteten subjektiven Tinnitus nehmen dagegen nur die Betroffenen selbst wahr. Mögliche Ursachen sind Störungen des Hörapparats oder der zugehörigen Nerven.

Ist keine genaue Ursache feststellbar, bezeichnen Ärzte den Tinnitus als primär oder idiopathisch. Sekundärer Tinnitus hingegen ist die Folge einer anderen Störung oder Erkrankung, beispielsweise eines geplatzten Trommelfells oder einer Gefäßerkrankung. Kann die Krankheit behoben werden, verschwinden in der Regel auch die störenden Ohrgeräusche.

Außerdem sind Häufigkeit und Ausmaß der Ohrgeräusche sehr unterschiedlich: Manche stören den Alltag des Betroffenen nur geringfügig, andere werden zur großen Belastung, weil sie Konzentration und Schlaf beeinträchtigen. Dauert Tinnitus drei Monate oder länger, gilt er als chronisch.

Wie Phantomschmerzen

Oft entsteht ein chronischer Tinnitus, weil die feinen Sinneszellen der Hörschnecke im Innenohr überreizt oder beschädigt sind, etwa durch beruf­lichen Dauerlärm oder durch ein einmaliges Knalltrauma wie bei einer Explosion, erklärt Waltering. »Man vermutet, dass die so beschädigten Sinneszellen dann keine Signale mehr an das Gehirn weiterleiten. Deshalb werden womöglich die Nervenzellen im Hörzentrum des Gehirns verstärkt aktiv und melden trotzdem Geräusche – ähnlich wie bei Phantomschmerzen nach einer Amputation.«

Aber auch ein mit Ohrenschmalz verstopftes Ohr kann durch die schalldämpfende Wirkung die Wahrnehmung eines Tinnitus fördern. Denselben Effekt haben eine chronische Mittelohrentzündung, ein geplatztes Trommelfell, eine Gefäßkrankheit, die Knochenerkrankung Otosklerose, die Menière-Krankheit, Probleme mit Kiefermuskeln oder Kiefergelenk oder schlicht und einfach Schwerhörigkeit. Werden diese behandelt, nehmen die Ohrgeräusche ab.

Bei vielen Menschen lässt sich allerdings – wie bereits erwähnt – gar keine Ursache für den Tinnitus feststellen. Vor allem bei ihnen liegt der Schwerpunkt der Behandlung darauf, dass sie neue Strategien im Umgang mit den Ohrgeräuschen entwickeln. Das Endziel lautet: Sie sollen lernen, mit dem Tinnitus so umzugehen, dass er ihren Alltag möglichst wenig belastet. Doch gerade das fällt Betroffenen schwer. Denn viele empfinden ihren Tinnitus als besonders laut, betont Schaaf. »Subjektiv stimmig ist der Tinnitus für diese Menschen die entscheidende Ursache von Beschwerden wie Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen bis hin zu depressiven Entwicklungen.«

Genau hier setzt die Behandlung eines solchen primären oder idiopathischen Tinnitus an: So gut es geht, soll die Aufmerksamkeit der Patienten von dem Geräusch abgelenkt werden, das nach allen Untersuchungen keine Folge einer behandel­baren Erkrankung ist.

Ablenkung statt Alarm

Entwicklungsgeschichtlich bedingt setzt jedes ungewohnte Geräusch – und sei es noch so leise – den Menschen in Alarmbereitschaft. Tinnitus ist für Betroffene in der Regel so ein unbekanntes, alarmierendes Geräusch, erläutert Schaaf. »Deshalb setzen Fachleute darauf, Patienten mit dem Phänomen Tinnitus vertraut zu machen, sie aufzuklären und ihnen ihre Ängste zu nehmen.«

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