Gut vorbereitet in den Urlaub |
03.06.2015 12:49 Uhr |
Von Kornelija Franzen / Urlaubszeit ist Reisezeit: In den Sommermonaten zieht es viele in die Ferne. Fremde Kulturen wollen entdeckt werden, auch kulinarisch. Wer denkt da schon an eine Durchfallerkrankung? PTA und Apotheker können Urlaubern mit der Auswahl geeigneter Präparate für die Reiseapotheke helfen, Durchfall vorzubeugen und im Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Es rumort und gluckert im Bauch und plötzlich ist er da: der Drang, schleunigst zur Toilette zu laufen. Eine Durchfallerkrankung ist mit Abstand die häufigste Reisekrankheit. Je näher das Urlaubsziel am Äquator liegt, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine akute Diarrhö während der Reise auftritt. Auslöser sind vor allem Bakterien, darunter Escherichia coli-Arten, Shigellen oder Salmonellen. Aber auch Noro- und Rotaviren können zu Durchfallerkrankungen führen. Die pathogenen Erreger besiedeln den Darm und rufen Entzündungsreaktionen hervor. Letztlich bewirken sie einen massiven Einstrom von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen: Der Durchfall setzt ein.
Eine Reisediarrhö tritt plötzlich, meist zu Beginn des Urlaubs auf und wird in der Regel von Übelkeit, Erbrechen und/oder Darmkrämpfen begleitet. Eine unkomplizierte Erkrankung ist nach etwa drei bis fünf Tagen überstanden. Die Grenzen der Selbstmedikation sind erreicht, wenn nach zwei Tagen keine eindeutige Besserung eintritt, hohes Fieber hinzukommt oder der Stuhl blutig ist. Grundsätzlich sollten Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern, Schwangeren und Senioren ärztlich behandelt werden.
Vorsicht Rohkost
Die mikrobiellen Erreger der Reisediarrhö werden fäkal-oral übertragen – mangelhafte Hygiene und tropische Temperaturen begünstigen ihre Ausbreitung. Sie finden ihren Weg von Mensch zu Mensch über unzureichend gegartes Fleisch, rohes Gemüse, frische Salate, ungeschältes Obst oder verunreinigtes Wasser. Die Gefahr lauert auch in Eiswürfeln oder Speiseeis. PTA und Apotheker sollten Fernreisende daher darauf hinweisen, Obst und Gemüse zu schälen oder zu kochen. Leitungswasser, bestenfalls auch das Zahnputzwasser, sollte ebenfalls stets abgekocht werden. Die vielzitierte Regel »Boil it, cook it, peel it or leave it« (zu Deutsch: »Koch es, brat es, schäl es oder vergiss es«) gilt es zu beherzigen. Auf diese Weise werden mögliche Erreger abgetötet und unschädlich gemacht.
Verluste ausgleichen
Durchfallerkrankungen sind gekennzeichnet durch mehr als drei wässrige oder breiige Stühle pro Tag. Der damit einhergehende massive Salz- und Flüssigkeitsverlust kann vor allem für Kinder, werdende Mütter sowie ältere und/oder chronisch kranke Menschen schnell bedrohliche Ausmaße annehmen. Allgemein destabilisiert ein Volumenmangel den Kreislauf und kann sogar einen Schockzustand verursachen. Um einer Dehydration vorzubeugen, sollte der Patient daher in erster Linie ausreichend trinken. Dem Verlust wichtiger Salze kann durch die Einnahme einer frisch zubereiteten Elektrolytlösung begegnet werden. Entsprechende Präparate (wie Elotrans®, Oralpädon®) gehören daher unbedingt in die Reiseapotheke. Um Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen zu lindern, können PTA und Apotheker Präparate mit antiemetisch wirksamen H1-Antihistaminika (zum Beispiel Dimenhydrinat in Vomex A®, Diphenhydramin in Emesan®) empfehlen. Butylscopolamin (wie in Buscopan®) wirkt spasmolytisch und hilft bei Bauchkrämpfen.
Nicht sofort stoppen
Akuter Durchfall ist eine natürliche Abwehrreaktion. Auf diese Weise versucht der Körper, sich von eingedrungenen Mikroorganismen zu befreien. Wird die Entleerungsfrequenz durch Arzneistoffe künstlich herabgesetzt, können sich Erreger und deren Toxine anreichern. Es besteht die Gefahr, dass sich der bestehende Infekt ausweitet. Sind bakterielle oder virale Ursachen nicht auszuschließen, stehen Experten heute einem sofortigen Einsatz motilitätshemmender Substanzen wie Loperamid (zum Beispiel in Imodium®, Lopedium®) eher kritisch gegenüber.
Im Notfall
In Situationen, in denen der Gang zur Toilette nicht immer möglich ist, etwa während eines Flugs oder einer Busfahrt, ist Loperamid allerdings immer noch das Mittel der Wahl. Als Notfallpräparat gehört es daher – nach entsprechender Aufklärung – für Personen ab dem zwölften Lebensjahr mit in die Reiseapotheke. Eine pflanzliche Alternative, Uzarawurzel-Extrakt (Uzara® Saft, Dragees), soll ebenfalls motilitätshemmend und spasmolytisch auf den Darm wirken. Es gibt hierzu eine positive Bewertung der Kommission E. Der alkoholfreie Saft eignet sich bereits für Kinder ab zwei Jahren, die Dragees ab dem Alter von sechs Jahren. Achtung: Bei gleichzeitiger Einnahme von herzwirksamen Glykosiden ist die Gabe kontraindiziert.
Unter dem Handelsnamen Vaprino® steht seit Mitte 2013 der Enkephalinase-Hemmstoff Racecadotril als verschreibungsfreies Präparat zur Verfügung. Racecadotril wirkt antisekretorisch und damit antidiarrhoisch, hemmt allerdings nicht die Eigenbewegung des Darms. Die Erreger können weiterhin ausgeschieden werden. Erwachsene nehmen zu Beginn der Behandlung zwei Kapseln auf einmal ein, danach dreimal täglich eine Kapsel vor einer Mahlzeit. Vaprino ist ab 18 Jahren zugelassen. Racecadotril-haltige Zubereitungen für Kinder unterliegen zur Zeit noch der Verschreibungspflicht.
Gerbstoffe und Adsorbenzien
Bei leichten Formen von Durchfallerkrankungen können auch gerbstoffhaltige Teedrogen oder Präparate die Symptome lindern, zum Beispiel Heidelbeeren, Brombeerblätter oder Ethacridinlactat (in Kombination mit Tanninalbuminat in Tannacomp®). Diese lindern durch ihre adstringierenden Eigenschaften die Beschwerden. Das Wirkprinzip von Gerbstoffen beruht auf ihrer Fähigkeit, Eiweiße im Darm zu fällen. Hierdurch verringert sich der Wasserverlust, und die Schleimhaut wird gestärkt und so unempfindlicher gegenüber Keimen und Toxinen.
Adsorbenzien wie medizinische Kohle, Pektin und Tannin-Eiweiß werden nicht resorbiert und binden Mikroorganismen und deren Toxine aufgrund ihrer großen Oberfläche und dicken den Stuhl ein. Entsprechende Präparate werden schon lange gegen akute unspezifische Diarrhöen eingesetzt. Die Studienlage zu den Adsorbenzien ist jedoch widersprüchlich, gesicherte Nachweise zu ihrer Wirksamkeit gibt es nicht.
Die Darmflora stärken
Eine gesunde Darmflora stellt einen wirksamen Schutz gegen invasive pathogene Mikroorganismen dar. Sie vorbeugend oder auch im akuten Infektionsfall zu stärken, ist demnach eine sinnvolle Maßnahme bei Durchfallerkrankungen. Sogenannte Probiotika (zum Beispiel Saccharomyces-Hefen in Perenterol®, Lactobazillen in Omniflora N® und Lacteol®) sind hier Mittel der Wahl. Es handelt sich in der Regel um Zubereitungen aus lebensfähigen Milchsäurebakterien oder Hefepilzen. Nach oraler Aufnahme und erfolgreicher Magen-Passage besiedeln sie den Dünndarm. Man geht davon aus, dass sie die Vermehrung pathogener Keime hemmen. Zudem wird ein immunstimulierender Effekt vermutet. PTA und Apotheker können neben dem Einsatz im Akutfall auch zu einer prophylaktischen Einnahme raten. Diese sollte je nach Präparat etwa fünf Tage vor Reiseantritt beginnen. Für Patienten mit Immundefizit sind probiotisch wirksame Präparate nicht geeignet. /
motilitätshemmend
Loperamid
Uzarawurzel-Trockenextrakt (Uzarigeninglykosid)
antisekretorisch
Racecadotril
Gerbstoffpräparate und Adsorbenzien
Ethacridinlactat, Tanninalbuminat
Elektrolyte, Glucose
Dimenhydrinat, Diphenhydramin
Butylscopolamin
Medizinische Hefen, Lactobazillen