Blutprodukte sollen sicherer werden |
Um dennoch einen effektiven Infektionsschutz zu gewährleisten, gibt es verschiedene Verfahren zur Pathogeninaktivierung. Dabei wird entweder UV-Licht allein oder in Kombination mit photoaktiven Substanzen eingesetzt. Die DNA und RNA von Pathogenen wie Viren und Bakterien wird dadurch geschädigt, die Pathogene so inaktiviert. Das Prinzip der Pathogeninaktivierung wurde in den 1980er-Jahren für die Plasma-Industrie infolge des HIV-Skandals entwickelt. Damals war es durch zahlreiche Übertragungen von HIV durch Blutprodukte gekommen. Heute wird jedes Plasmaprodukt aus der Industrie mindestens zweimal inaktiviert, zelluläre Blutkonzentrate allerdings noch nicht. Seltsam: »Ich sehe eine Chance, mit diesem Verfahren auch klassische zelluläre Blutkomponenten wie Thrombozyten- oder Erythrozytenkonzentrate noch sicherer zu machen.«
Konzentrate von Thrombozyten haben im Spektrum der Blutprodukte eine Sonderstellung: Im Gegensatz zu Plasma- oder Erythrozytenkonzentraten können sie weder gekühlt noch eingefroren werden. Um die Funktion der für die Blutgerinnung wichtigen Thrombozyten zu erhalten, werden die empfindlichen Konzentrate in der Regel bei Raumtemperatur gelagert und ständig bewegt. Das Problem: Diese Art der Lagerung schafft ideale Wachstumsbedingungen für Bakterien. Selbst wenn das Konzentrat zu Beginn nur eine sehr geringe Zahl an Bakterien enthalte – eine Kontamination, die nie ganz zu vermeiden sei –, könne diese binnen weniger Stunden heranwachsen und beim Empfänger etwa zu einer schweren Sepsis führen, so Seltsam. Das Risiko für eine Sepsis bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten liegt derzeit bei rund 1:10.000. Mit einer Pathogeninaktivierung lasse sich nicht nur das Sepsisrisiko minimieren, die Thrombozytenkonzentrate könnten möglicherweise auch länger als die bislang erlaubten vier Tage gelagert werden und müssten dann seltener verworfen werden, wie Seltsam erläutert.
Obwohl auch für diese Blutprodukte Inaktivierungsverfahren in Deutschland zugelassen seien, würden sie bislang aus Kostengründen nur selten eingesetzt, im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Kanada, Frankreich, Belgien oder der Schweiz. »Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Pathogeninaktivierung erst dann zur Routine wird, wenn sie von behördlicher Seite angeordnet wird, und die Krankenhäuser die Mehrkosten erstattet bekommen«, so Seltsam.
Die DGTI unterstützt daher die Durchführung von Untersuchungen zum Einsatz des Verfahrens sowie dessen Bewertung nach Prüfung durch die Bundesoberbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut. Denn wie jedes Verfahren hat auch die Pathogeninaktivierung Nebenwirkungen und Nachteile. So gehen abhängig von der verwendeten Technologie Thrombozyten während der Herstellung verloren. Zudem gibt es Hinweise auf immunologische Unverträglichkeitsreaktionen durch Antikörperbildungen. Daher sei ein differenziertes Vorgehen wichtig, welches auf wissenschaftlicher Basis alle Aspekte berücksichtige, so die Mediziner.