Die richtige Dosis mit dem Kinderformularium finden |
Barbara Döring |
05.10.2023 10:45 Uhr |
Zusätzlich ist vermerkt, ob ein Wirkstoff etwa bei eingeschränkter Nierenfunktion niedriger dosiert werden muss. Zu den Wirkstoffen gibt es Präparate-Listen sowie unter anderem Informationen zu Pharmakodynamik und Pharmakokinetik, unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Kontraindikationen oder Wechselwirkungen. Zudem sind Referenzen und Quellen hinterlegt, auf deren Basis die Dosierungen mit bestmöglicher Evidenz beruhen, so der Kinder- und Jugendmediziner.
Entstanden ist das Projekt vor zehn Jahren, als Rascher Direktor der Kinder- und Jugendklinik in Erlangen war. Damals wurde dort eine elektronische Krankenakte als Dosisunterstützungssystem eingeführt. »Die Kollegen und Kolleginnen in der Klinik waren begeistert, dass sie all die Informationen direkt nachschlagen konnten«, erinnerte sich Rascher. Apothekerinnen wie Professor Dr. Antje Neubert aus Erlangen waren entscheidend daran beteiligt, das Projekt auf die Reihe zu bringen, aufzubauen und am Leben zu erhalten, so der Referent.
Als das Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit den Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie in Deutschland startete, bewarb sich das Team um Rascher mit dem Projekt und erhielt bis 2022 eine Förderung, mit der eine Teilfinanzierung möglich wurde. Der andere Teil kam aus Forschungsmitteln der Klinik. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) machte die Vorgabe, die Dosisempfehlungen durch systematische Literaturstudien zu belegen. So kam es zur Zusammenarbeit mit niederländischen Experten, die eine ähnliche Datenbank in bereits größerem Umfang entwickelt hatten.
»Inzwischen sind wir ein Konsortium, bei dem Deutschland, die Niederlande, Norwegen und Österreich zusammenarbeiten«, sagte Rascher. »Wir einigen uns auf eine Dosierung, die evidenzbasiert ist und für ganz Europa verwendet werden kann, wobei länderspezifische Unterschiede berücksichtigt werden.« Die Evaluation der Datenbank erfolgt im Rahmen des Projekts Kidsafe, das durch den Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesauschuss gefördert wird und die Arzneimittelversorgung von Kindern und Jugendlichen sicherer machen will. Darüber werden zum Beispiel unerwünschte Nebenwirkungen und Medikationsfehler in Kliniken systematisch erfasst.
In diesem Rahmen zeigt eine Cluster-randomisierte Studie mit 12 Kliniken, dass die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen aufgrund von Arzneimittel bedingten Nebenwirkungen gesenkt werden kann, wenn Arztpraxen trainiert werden, das Kinderformularium zu nutzen: Während es unter Kontrollbedingungen 4,14 Prozent Einweisungen gab, lagen diese nach einem Training der Ärzte zur Nutzung der Datenbank bei 3,07 Prozent. Das Ergebnis sei statistisch nicht signifikant, weil unter anderem wegen der Corona-Pandemie nicht ausreichend Arztpraxen teilnehmen konnten. Das Projekt wird deshalb nicht weiter vom deutschen Gesundheitssystem finanziert. Es zeige jedoch, dass weniger Kinder in die Klinik müssen, wenn Apotheker die Ärzteschaft über richtige Arzneimitteltherapie informieren, sagte Rascher.