Die tödlichsten Gifte |
Barbara Döring |
14.08.2024 12:00 Uhr |
Ein kleiner Pikser mit der Spitze eines kontaminierten Regenschirms reichte aus, um dem bulgarischen Journalisten und Dissidenten Georgi Markow eine tödliche Dosis Rizin zu verabreichen. Der Anschlag von 1978 ging als Regenschirm-Attentat in die Geschichte ein. Einige Tage später verstarb das Opfer an Kreislaufversagen.
Das giftige Protein Rizin zählt zu den Lektinen und stammt aus den Samen des Wunderbaums (Ricinus communis) aus der Familie der Wolfsmilchgewächse. Seine toxische Wirkung entfaltet es durch Hemmung der Proteinbiosynthese. Verantwortlich dafür sind zwei verschiedene Polypeptidketten, von denen eine für die Bindung an die Zelloberfläche sorgt. Die andere dringt in die Zelle ein und deaktiviert Ribosomen, die Orte der Proteinsynthese.
Rizin kann nach Injektion, Inhalation oder oraler Aufnahme in den Körper gelangen. Die meisten Vergiftungsfälle geschehen, weil versehentlich Samen verzehrt wurden. Dann sind vor allem die Zellen von Magen, Darm, Leber und Niere bedroht. Zudem führt die Vergiftung zur Verklumpung der Erythrozyten. In der Regel treten innerhalb von vier bis acht Stunden, zum Teil auch erst Tage nach der Aufnahme, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall auf. In schweren Fällen entstehen Krämpfe, Lebernekrose und Nierenversagen. Die Vergiftung kann durch Lähmung des Atemzentrums tödlich enden.
Dafür reicht eine Dosis von 0,3 bis 20 mg isoliertes Rizin, was etwa acht Samenkörnern entspricht. Für Kinder kann bereits ein halbes Samenkorn tödlich sein. Ein Antidot ist nicht bekannt. Gut zu wissen: Das aus dem Wunderbaum für kosmetische Zwecke gewonnene Rizinusöl enthält kein Rizin, da es durch Extraktion und Hitzeinaktivierung entfernt wird.
Wer nicht gegen Tetanus geimpft ist, für den ist Gartenarbeit nicht ganz ungefährlich. Denn das im Boden lebende Bakterium Clostridium tetani, das über Verletzungen in den Körper gelangen kann, bildet Tetanustoxin, auch Tetanospasmin genannt, das nach Botulinumtoxin zweitstärkste Bakteriengift. Im Körper bindet es an Nervenzellen und hemmt die Freisetzung inhibitorischer Transmitter. In der Folge erhöht sich der Muskeltonus, sodass Kau-, Nacken- und Rückenmuskulatur versteifen. In schweren Fällen kommt es durch Lähmung der Rachenmuskulatur und des Zwerchfells zum Erstickungstod.
Mithilfe von Formalin kann Tetanustoxin in eine ungiftige Form umgewandelt werden. Dies muss jedoch rechtzeitig erfolgen, solange das Gift noch nicht an Nervenzellen gebunden ist. Trotz intensivmedizinischer Behandlung versterben bis zu 70 Prozent der Patienten. Als Prophylaxe stehen eine aktive und eine passive Immunisierung zur Verfügung. Wegen hoher Durchimpfungsraten treten in Deutschland jährlich weniger als 15 Todesfälle auf.