Dreierlei Antikörper |
Sven Siebenand |
06.09.2023 12:00 Uhr |
Antikörper sind Bestandteil des menschlichen Immunsystems. Als Arzneistoffe werden sie biotechnologisch hergestellt. / Foto: Getty Images/Gilnature
Auf dem Gebiet RSV-Infektion tut sich einiges: RSV ist die Abkürzung für das respiratorische Synzytial-Virus. Oft geht von einer Infektion mit dem Virus keine allzu große Gefahr aus. Ältere Menschen sind eine Personengruppe, für die die Infektion aber gefährlich werden kann. Daher ist es eine gute Nachricht, dass der RSV-Impfstoff Arexvy® seit einigen Wochen verfügbar ist. Er ist zum Schutz von Personen ab 60 Jahren vor RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege zugelassen.
Auch im sehr jungen Lebensalter ist eine RSV-Infektion potenziell gefährlicher. Vor allem bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten kann die Infektion leicht von den oberen auf die unteren Atemwege übergreifen und etwa eine Pneumonie hervorrufen. Bei Frühgeborenen bilden die verzögerte Lungenreifung und der geringe immunologische Nestschutz ein besonderes Risiko für schwer verlaufende RSV-Infekte. Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge oder Herzfehlern sind bei einer RSV-Infektion ebenso besonders gefährdet.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten steht der gegen RSV gerichtete Antikörper Palivizumab (Synagis®) für eine passive Immunisierung zur Verfügung. Der monoklonale Antikörper bindet an ein bestimmtes Protein von RSV und verhindert so, dass es gesunde Wirtszellen infiziert und sich weiter ausbreitet. Palivizumab bietet einen einmonatigen Schutz, wobei fünf Injektionen für eine RSV-Saison erforderlich sind.
Der erste neue Antikörper im September ist Nirsevimab (Beyfortus® Injektionslösung in einer Fertigspritze, Sanofi). Nirsevimab ist indiziert zur Prävention von RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen und Säuglingen während ihrer ersten RSV-Saison. Laut Sanofi ist ein Zulassungsantrag auf eine erweiterte Gabe im zweiten Jahr bei Risikokindern bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA eingereicht, aber aktuell noch nicht zugelassen. Wie Palivizumab ist auch Nirsevimab ein neutralisierender Antikörper. Es hemmt den entscheidenden Membranfusionsschritt im Prozess des Viruseintritts.
Das Besondere an Nirsevimab ist die lange Halbwertszeit, sodass eine Einzeldosis für die passive Immunisierung ausreicht, um eine RSV-Saison abzudecken. Bis zu 5 kg Körpergewicht wird eine einmalige intramuskuläre Injektion, vorzugsweise in den Oberschenkel, von 50 mg Nirsevimab empfohlen; ab 5 kg Körpergewicht sind es dann 100 mg Nirsevimab. Der Antikörper sollte vor Beginn der RSV-Saison angewendet werden oder ab der Geburt bei den Säuglingen, die während der RSV-Saison geboren werden. Als gelegentliche Nebenwirkungen wurden Hautausschlag, Reaktionen an der Injektionsstelle und Pyrexie beobachtet. Beyfortus ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern.
Wie eingangs gesagt, tut sich momentan einiges im Bereich RSV. Neben dem bereits verfügbaren neuen Impfstoff für Ältere und Nirsevimab hat Ende August auch der Proteinimpfstoff Abrysvo® von Pfizer eine EU-Zulassung erhalten. Zum einen ist der Impfstoff für die aktive Immunisierung von Erwachsenen ab 60 Jahren angezeigt. Zum anderen soll der Impfstoff Schwangeren verabreicht werden, die die gebildeten Antikörper gegen den Erreger an das ungeborene Kind weitergeben, wodurch dieses nach der Geburt bis zum Alter von sechs Monaten geschützt ist. Die Produktion des Impfstoffes laufe bereits und Pfizer geht davon aus, dass er für die RSV-Saison 2023/2024 verfügbar sein wird.
Dieser Impfstoff wird auch bei Kindern im Alter zwischen zwei und unter 18 Jahren untersucht, die ein erhöhtes Risiko haben, an RSV zu erkranken. In einer anderen Studie wird er bei Erwachsenen von 18 bis 60 Jahren untersucht, die aufgrund von Grunderkrankungen wie Asthma, Diabetes und COPD ein erhöhtes RSV-Risiko haben, sowie bei Erwachsenen ab 18 Jahren, die aufgrund einer Immunsuppression ein erhöhtes RSV-Risiko haben.
Damit aber noch kein Ende: Die Firma Moderna hat zum Beispiel einen mRNA-Impfstoff gegen RSV für Ältere zur Zulassung eingereicht und die Firmen Novavax und MSD befinden sich derzeit in Phase III der klinischen Erprobung ihrer Kandidaten aus der Pipeline. Clesrovimab von MSD ist wie Nirsevimab eine passive Immunisierung für Säuglinge und Kleinkinder. Der proteinbasierte Impfstoffkandidat von Novavax soll wiederum Schwangeren verabreicht werden, damit diese die gebildeten Antikörper an ihr Kinder weitergeben.