Entspannt entbinden mit Hypnobirthing |
Barbara Döring |
27.07.2023 12:00 Uhr |
Kann es tatsächlich funktionieren, unter einer Art Trance aktiv bei der Geburt mitzuwirken? Laut Römer ist Hypnobirthing im Prinzip nichts anderes als eine Verstärkung von dem, was Frauen auch in Kursen zur Geburtsvorbereitung lernen. Letztlich geht es darum, sich auf das Atmen zu konzentrieren und sich zu fokussieren, um in den richtigen Geburtsrhythmus zu kommen. Den Schmerz dabei zu unterbinden sei jedoch nicht möglich und auch nicht sinnvoll. »Eine Geburt ohne Schmerzen gibt es nicht«, weiß der Gynäkologe. »Rein physiologisch ist der Geburtsschmerz sogar wichtig, da er einerseits die Ausschüttung des wehenauslösenden Hormons Oxytocin fördert, ohne dass es zum Geburtsstillstand kommen würde. Andererseits fördert der Wehenschmerz als eine Art Rückkopplung wiederum die Produktion schmerzhemmender Substanzen.
Geburtsschmerz soll also prinzipiell nicht unterdrückt, sondern reduziert und adaptiert werden, was der Körper im Prinzip selbst regulieren kann. Denn der Geburtsschmerz ist nicht dauerhaft, sondern verläuft in Zyklen. »Geburtsschmerzen sind extreme Schmerzen, aber vom Wesen ganz anders als etwa Bauch- oder Zahnschmerzen«, sagt Römer. Geburtsschmerzen seien auch nicht mit Menstruationsbeschwerden zu vergleichen. Denn Wehenschmerz kommt wie eine Welle, ist eine Minute lang überwältigend stark, dann aber auch für einige Minuten wieder verschwunden. Gelingt es, in dieser schmerzfreien Zeit zu entspannen, wird die Frau automatisch synchron mit den Wellen aus Schmerz und Entspannung und kommt in ihren eigenen Takt hinein. »Besteht jedoch die Angst vor der nächsten Wehe, entsteht ein Teufelskreis aus Verspannung und Schmerz und das Schmerzempfinden verstärkt sich noch«, sagt Römer.
Wie andere Methoden auch kann Hypnobirthing helfen, sich zu fokussieren, zum richtigen Zeitpunkt zu entspannen und in den richtigen Rhythmus zu kommen. Doch wie wirksam die Methode ist, dazu gibt es keine aussagekräftigen Untersuchungen. Auf der anderen Seite existieren auch keine Standards, wie Hypnobirthing anzuwenden ist. Jeder kann es im Prinzip anbieten und das geschieht oft zu erheblichen Kosten. Viele Hebammen sehen Hypnobirthing deshalb kritisch, aber auch, weil Frauen durch solche Methoden oft nicht mehr unvoreingenommen in die Geburt gehen. »Sie denken, sie müssten sich genau an einen vorgegebenen Plan halten und scheitern dann oft an sich selbst«, sagt Römer aus eigener Erfahrung.
Gerade weil sich der Schmerz während der Geburt verändert, kann zu wenig Flexibilität zum Problem werden: »Alle engen Vorgaben sind bei einer Geburt kontraproduktiv, weil sie nicht statisch ist und sich der Schmerz verändert«, betont Römer. Viele Hebammen hätten die Erfahrung gemacht, dass es sogar eher zum Kaiserschnitt kommt, wenn Frauen enge Vorgaben im Kopf haben und die Offenheit für die aktuelle Geburtssituation und die Erfahrung der begleitenden Hebamme verlieren.
»Frauen kommen heute oft mit konkreten Vorstellungen in den Kreißsaal und möchten weder PDA noch ein Wehenmittel, aber unbedingt in die Wasserwanne«, stellt Römer fest. Wenn sie dann nicht die Flexibilität hätten, vom gewünschten Plan abzuweichen, wäre das schwierig. »Eine Geburt findet nicht im Kopf statt«, betont Römer. Oft seien jene Geburten die einfachsten, die ohne große Vorbereitung im Zug oder Auto passieren. Eine Frau, die sich vorher wenig Gedanken macht und die Geburt auf sich zukommen lässt, sei in der Regel auch offener, auf verschiedene Situationen einzugehen und könnte besser damit umgehen, als wenn sie einen festen Fahrplan hat, so Römer.