Entzieht uns Zucker Nährstoffe und Vitamine? |
Weit verbreitet ist auch die Annahme, dass dem Körper durch den Verzehr von Zucker Vitamine entzogen werden. Dieser Mythos bezieht sich auf Vitamin B1 (Thiamin) und geht ebenfalls auf falsche Schlussfolgerungen aus Tierversuchen mit Ratten in den 1920er-Jahren zurück. Die Nager erhielten damals ein thiaminfreies Futter und Kohlenhydrate als Energiequelle. Im Vergleich zu Artgenossen, die ein thiamin- und kohlenhydratfreies Futter bekamen, zeigten sie früher Anzeichen eines Vitamin-B1-Mangels. Da Vitamin B1 als Coenzym bei der Energiegewinnung aus Kohlenhydraten mitwirkt, gingen die Wissenschaftler davon aus, dass der Abbau von Zucker eine so erhebliche Menge an Vitamin B1 erfordert, dass daraus ein Mangel resultiert.
Richtig ist jedoch: Der Organismus benötigt zum Zuckerabbau Vitamin B1 als Coenzym in Form von Thiaminpyrophosphat. Vitamin B1 wird dabei nicht verbraucht, sondern nach Ablauf der enzymatischen Reaktion regeneriert. Dasselbe Coenzym wird zudem für weitere Stoffwechselreaktionen von anderen Nährstoffen benötigt.
Auch in Studien mit Menschen konnte der Mythos vom B1-Räuber widerlegt werden. So konnte in einer Studie mit englischen Schulkindern kein Unterschied in den Vitaminkonzentrationen im Blut von Kindern und Jugendlichen mit hohem beziehungsweise niedrigem Zuckerverzehr nachgewiesen werden. Da Kinder und Jugendliche in der Regel einen deutlich höheren Zuckerkonsum aufweisen als Erwachsene, ist ein entsprechender Mangel bei Erwachsenen noch unwahrscheinlicher. Zudem weiß man heute, dass ein Vitamin-B1-Mangel unter hierzulande üblichen Ernährungsbedingungen eher selten und in der Regel Folge von Leber- oder Darmfunktionsstörungen beziehungsweise eines chronischen Alkoholmissbrauchs ist.
Dennoch gilt: Auch wenn viele alte Mythen vom Vitamin- und Nährstoffraub durch Zucker widerlegt werden konnten, ist das kein Freibrief für einen übertriebenen Zuckerverzehr. Durch einen hohen Zuckerkonsum sinkt die Qualität der Ernährung. Und das hat zumindest indirekt wieder Auswirkungen auf den Vitamin- und Nährstoffhaushalt, wie Wissenschaftler der Universität Lund in Schweden zeigen konnten.
Die Forscher werteten die Daten von mehr als 14.000 Erwachsenen aus, die mithilfe von Ernährungstagebüchern, Fragebögen und Interviews Angaben zu ihrem Zuckerkonsum gemacht hatten. Dabei zeigte sich, je höher der Zuckerkonsum, umso geringer ist die tägliche Aufnahme von Calcium, Eisen, Magnesium, Kalium, Selen, Vitamin C und D sowie Zink. Vermutlich ersetzt der Griff zur Süßigkeit oder zum zuckerhaltigen Getränk schlichtweg den Griff zum nährstoffreicheren Obst oder Gemüse, mutmaßen die Forscher.
Klar belegt ist auch, dass ein hoher und häufiger Konsum von Zucker jeglicher Form eine Ursache für Karies ist. Darüber hinaus gibt es etliche weitere Zusammenhänge zwischen einer hohen Zuckeraufnahme und gesundheitlichen Problemen, die inzwischen sogar für einzelne Zuckerformen und Lebensmittelgruppen nachgewiesen werden konnten.
So deuten Studien darauf hin, dass ein hoher Konsum von zugesetzten und freien Zuckern die Entstehung von Adipositas, Lebererkrankungen, Typ-2-Diabetes sowie einen hohen Cholesterinspiegel und Bluthochdruck fördert. Ein hoher Fruktosekonsum steht im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gicht. Der häufige Genuss zuckerhaltiger Getränke steht in Verbindung mit Adipositas, Lebererkrankung, Typ-2-Diabetes, einem hohen Cholesterinspiegel, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gicht und Bluthochdruck.
Im Rahmen einer Schwangerschaft begünstigt das Trinken zuckerhaltiger Getränke die Entwicklung eines Schwangerschaftsdiabetes und einer Mangelgeburt. Fruchtsäfte und Fruchtnektare wiederum sind mit Adipositas, Typ-2-Diabetes und Gicht assoziiert.