Essstörungen bei Männern erkennen |
Mangweth-Matzek betont, dass im Kontext mit Anorexia nervosa extreme Disziplinanforderungen kombiniert mit überdimensionalen Leistungsansprüchen in allen Lebensbereichen (Schule, Ausbildung, Beruf etc.) zu beobachten sind, wobei sich bei anorektischen Männern im Unterschied zu Frauen häufig Übergewicht in der Vorgeschichte zeige.
Bei der von Essattacken geprägten Bulimia nervosa stünden neben exzessivem Sport und selbstinduziertem Erbrechen Kompensationshandlungen wie Laxantien- und Diuretikaabusus im Focus der gewichtsmindernden Maßnahmen.
Sie macht des Weiteren deutlich, dass bei der Entstehung von Essstörungen bei Männern oft auch die sexuelle Orientierung eine Rolle spielt. Studiengemäß zeigen essgestörte Männer sehr viel höhere Raten an Homo- beziehungsweise Bisexualität (10 bis 42 Prozent) als die Allgemeinbevölkerung (5 bis 10 Prozent). Gleichzeitig seien homosexuelle Männer mit 2 bis 8 Prozent deutlich häufiger betroffen als heterosexuelle Männer mit 0,3 bis 2 Prozent.
»Gerade nicht-heterosexuelle Männer erleben ihren Körper oft als Objekt, welches einem schlanken, muskulösen Schönheitsideal unterworfen und damit auch häufig mit Körperunzufriedenheit assoziiert ist«, führt die Wissenschaftlerin aus. Zudem könne die Essstörung als Folge von Stress auftreten, dem sich Betroffene als Angehörige einer gesellschaftlichen Minderheit oft ausgesetzt fühlen.
»Angesichts gesellschaftlicher Normen und Erwartungen, die sie glauben erfüllen zu müssen, sowie der Annahme, gemäß öffentlicher Wahrnehmung unter einer typischen Frauenerkrankung zu leiden, fühlen sich Betroffene doppelt stigmatisiert«. Dass sie ihr Essstörungsleid von sich aus ansprechen, sei deshalb kaum zu erwarten. Daher müsse das gestörte Essverhalten im Beratungsgespräch entweder routinemäßig hinterfragt oder bei Verdacht empathisch, jedoch deutlich zugeordnet werden. Bei korrekter Diagnose und entsprechender Compliance ließen sich bei Männern dieselben Therapieerfolge wie bei Frauen erzielen, hebt Mangweth-Matzek hervor.