Große Angst vor kleinen Keimen |
Was nicht bedeutet, dass es nicht Menschen gibt, die dennoch davor Angst haben. Oder die schon beim Gedanken an fremde Toiletten, Fahrstuhl-Knöpfe oder Treppen-Handläufe Übelkeit empfinden und Herzrasen bekommen. »Spätestens dann sollte man ernsthaft etwas dagegen tun«, sagt der Psychologe André Wannemüller. Denn dann ist es zu einer sogenannten Mysophobie – der krankhaften Angst vor Schmutz und Ansteckung mit Bakterien und Viren – nicht mehr weit. Was aber ist noch normal – und wo wird eine Grenze überschritten?
Klar ist: Dass man sich auf einer Bahnhofstoilette ekelt und sich nicht ohne Desinfektionstücher hinsetzt oder sich davor scheut, etwas anzufassen, was dreckig oder gar nach Exkrementen aussieht, ist absolut nachvollziehbar. Und auch von der Natur bewusst so eingerichtet. »Es ist ein ganz natürliches Verhalten, dass wir bemüht sind, uns vor Kontaminationen zu schützen«, sagt der Privatdozent von der Ruhr-Uni Bochum.
Wenn ich jedoch anfange, vom Treffen mit Freunden früher nach Hause zu gehen, um dort kein WC benutzen zu müssen, wenn ich Restaurant-Besuche ganz vermeide, weil ich dort allerorten von nicht überschaubaren unhygienischen Verhältnissen umgeben bin, sollten die Alarmglocken schrillen. »Dann richtet man seine Alltagsstruktur danach aus, und irgendwann kommt man aus dem Teufelskreis nicht mehr heraus«, warnt Wannemüller.
Wie dann vorgehen, damit sich die Spirale nicht immer weiterdreht? »Gegensteuern kann ich grundsätzlich, wenn ich an mir selbst merke oder es auch von anderen gespiegelt wird, dass ich mit meinem Verhalten übertrieben reagiere und ein bisschen drüber bin«, sagt der Experte für phobische Störungen.
Manchmal kann es dann schon helfen, sich ganz realistisch auszumalen, wie lange es dauern würde, wenn ich mich wirklich durch Viren oder Bakterien angesteckt hätte – und schlimme Magen-Darm-Probleme oder gar eine Hepatitis bekomme. Nach einer gewissen Inkubationszeit wird den Betroffenen dann jedoch klar, dass tatsächlich nichts passiert ist.