Haarpracht auf Abwegen |
Barbara Döring |
06.04.2023 12:00 Uhr |
Die Ursachen der Alopecia areata sind noch nicht abschließend geklärt. Die alten Griechen nahmen an, dass die Haare nicht richtig wachsen und die Haarwurzel gereizt werden müsse. »Dafür verwendeten sie Knoblauch, Senf und Zwiebeln als lokale Reiztherapie, die sich bis heute in der Volksmedizin mancher Länder gehalten hat«, berichtet Lutz. Sicher ist, dass T-Lymphozyten, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, im Sinne einer Autoaggression den Haarfollikel angreifen. Mit fortschreitender Entzündung kann dieser Prozess den Haarfollikel zerstören. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Haare nachwachsen, sinkt mit weiteren Schüben und zunehmender Ausprägung und geht irgendwann gegen Null, so die Erfahrung des Dermatologen. Ist nur eine kleine Stelle betroffen, ist die Chance, dass die Haare von alleine nachwachsen, deutlich höher, als wenn bereits mehrere kahle Areale bestehen. »Wehret den Anfängen« ist deshalb Lutz’ Devise. »Ich würde jeden Areata-Herd behandeln, selbst wenn er nur die Größe eines Centstücks hat«, sagt der Experte. Maximal drei Monate könne man abwarten, ob die Haare von selbst wieder wachsen. »Die Spontanheilung liegt erfahrungsgemäß jedoch unter 15 Prozent«, berichtet der Experte.
Solange die Haarwurzel nicht zerstört ist, kann das Haar nachwachsen, sagt Lutz. Allerdings ist der langfristige Erfolg schwer vorhersehbar und die Wirkung kann nur zeitlich begrenzt. Das erste Ziel der Therapie ist es, die Entzündung zu unterdrücken. Dabei ist laut Lutz ein stark wirksames Kortikosteroid, wie Clobetasol, die erste Wahl, das als Lösung und Creme über 12 bis 16 Wochen auf die Kopfhaut appliziert wird. Bei schweren Formen wird teilweise auch eine systemische Corticoid-Stoßtherapie versucht. »Setzt man diese systemische Therapie ab, ist das Risiko sehr hoch, dass die Haare wieder ausfallen«, sagt Lutz. Diesen Effekt hat er jedoch bei der lokalen Steroidtherapie nie beobachtet. Für ausgedehnte und schwere Formen ist für Erwachsene die topische Immuntherapie mit DCP (Diphenylcyclopropenon) eine Option. Durch die Applikation über mehrere Monate auf die Kopfhaut wird ein moderates Kontaktekzem provoziert, das die T-Lymphozyten von den Haarfollikeln in die Oberhaut ablenkt. Die Erfolgsraten der Therapien liegen zwischen 45 und 85 Prozent. Allerdings hat diese Substanz keine Zulassung als Medikament und besitzt gewisse Risiken.
Als unterstützende Maßnahmen kommt die mehrmonatige Supplementation von Zink in Betracht, das bei der Modulation der Immunantwort eine Rolle spielt. »Zink fördert allgemein das Haarwachstum, hat eine antientzündliche Wirkung und verändert die Zusammensetzung des T-Zell-Infiltrats«, sagt Lutz, der bei seinen Patienten Zink in Verbindung mit Aminosäuren einsetzt.