Herzkrank durch Lärm und Luftverschmutzung |
Dringend notwendig sei daher die Minderung der Luftschadstoffe – nicht nur durch die Umstellung von der Nutzung fossiler Brennstoffe auf erneuerbare Energiequellen, sondern auch durch entsprechende Stadtplanungs- und Straßenbaumaßnahmen, macht Münzel, auch Gastherausgeber des Ende 2021 erschienenen Schwerpunkthefts »Kardiologie und Umweltmedizin« der Fachzeitschrift »Aktuelle Kardiologie«, deutlich. Wie andere Experten fordert auch er eine stärkere Regulierung von Umweltnoxen und -lärm.
»Die aktuellen Europäischen Grenzwerte sind mit 25 µg/m3 fünfmal so hoch wie die aktuellen Vorgaben der WHO mit 5 µg/m3«, hebt Münzel hinsichtlich der Feinstaubbelastung hervor. Auch andauernder Umgebungslärm gelte als potenzieller Krankmacher, der nicht nur zu Lasten der Ohren, sondern gleichermaßen des Herzens geht. »Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EUA) sind mindestens 20 Prozent der europäischen Bevölkerung schädlichen Tag-Abend-Nacht-Lärmpegeln von 55 Dezibel (dB) ausgesetzt. Die Grenzwerte der WHO liegen, abhängig von der Lärmquelle, bis zu 10 dB darunter«, so Münzel weiter. Die Einführung entsprechender Lärmgrenzwerte in Orientierung an den WHO-Richtwerten sei auch hier erforderlich – vor allem angesichts der Tatsache, dass Verkehrslärm und Feinstaub insbesondere in Kombination zudem das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhten.
Im Gegensatz zu anderen klassischen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie übermäßiger Nikotin- und Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung oder körperliche Inaktivität, seien umweltbedingte Risikofaktoren wie spezifische Luftschadstoffe und Umgebungslärm kaum oder gar nicht durch den Einzelnen beeinflussbar.
Aufgrund der hinreichend belegten Evidenz müssten Luftverschmutzung und Umgebungslärm daher verstärkt nicht nur als generelle Gesundheits-Gefahren in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden, sondern explizit auch als bedeutende Risikofaktoren in die Leitlinien der medizinischen Fachverbände aufgenommen werden.
Die Weltbevölkerung werde bis 2050 auf 10 Milliarden Menschen wachsen, von denen 75 Prozent in Städten mit per se erhöhter Luftverschmutzung und Lärmbelastung leben. Zwingend seien die entsprechenden gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen zu ziehen. Ein »radikales Umdenken« zum Schutz der menschlichen und planetarischen Gesundheit sei unumgänglich, so der eindringliche Appell der Studienautoren.