Hilft Vitamin D doch nicht bei Corona? |
Bei kritischer Betrachtung einer zunächst vielversprechend klingenden Studie verliert Vitamin D bei Covid-19 an Bedeutung: Für einen milderen Verlauf durch Supplementierung des Sonnenvitamins gibt es keine Beweise. / Foto: Getty Images/Grace Cary
Im Internet machen Empfehlungen für die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten die Runde – aktuell auch begründet mit Hinweisen, eine Infektion mit Covid-19 oder ein schwerer Verlauf der Erkrankung könnten damit verhindert werden. Fakt ist jedoch, dass eine eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und einem erhöhten Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion oder einen schweren Covid-19-Verlauf nicht nachgewiesen ist.
Ausgangspunkt der Appelle, die Bevölkerung mit Vitamin-D-Ergänzungsmitteln zu versorgen sind Beobachtungsstudien in europäischen und US-amerikanischen Krankenhäusern. Diese haben ergeben, dass bei Covid-19-Patienten häufiger ein Vitamin-D-Mangel festgestellt wird als in Kontrollgruppen. Es wurde auch berichtet, dass Menschen mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel tendenziell häufiger an der Erkrankung sterben als andere.
Am Reina-Sofia-Krankenhaus in Madrid wurde versucht, der Sache auf den Grund zu gehen: 50 Covid-19-Patienten wurde Vitamin D verabreicht, nur einer von ihnen landete auf der Intensivstation. Aus einer Kontrollgruppe mit 26 Patienten, die keine Vitamin-D-Präparate bekamen, musste dagegen die Hälfte intensivmedizinisch behandelt werden, zwei von ihnen starben.
Bei genauerem Hinsehen wurde deutlich, dass in der zweiten Gruppe der spanischen Studie – den Patienten ohne Vitamin-Gabe – mehr Vorerkrankungen etwa mit Bluthochdruck und Diabetes registriert waren und damit auch mehr Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf. »Wenn man die (relativ) Gesunden in die Vitamin-D-Gruppe packt und die (relativ) Kranken in die Kontrollgruppe, dann ist vorher klar, was herauskommt«, moniert etwa Martin Smollich, Pharmakologe und Professor am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck.
Smollich betont, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Covid-19 könne nicht nachgewiesen werden. Vielmehr könnte ein bei der Krankenhausaufnahme gemessener niedriger Vitamin-D-Spiegel Folge (und nicht Ursache) der Covid-19-Erkrankung sein. Im Rahmen einer akuten, schweren Infektion sinke der Vitamin-D-Spiegel nämlich kurzfristig drastisch ab. Zudem trete ein Vitamin-D-Mangel »überdurchschnittlich häufig bei Erkrankungen und Lebensumständen auf, die ihrerseits das Covid-19-Risiko erhöhen, also in hohem Lebensalter, bei Adipositas oder bei Diabetes Typ 2«.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.