Hormonersatztherapie ja oder nein? |
Isabel Weinert |
07.12.2022 14:30 Uhr |
Bei Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben, sei der große Vorteil, dass kein Gestagen verabreicht werden müsse, so Bühling. Das Gestagen bei einer HRT ist verantwortlich für das erhöhte Brustkrebsrisiko. Aus diesem Grunde sei er in diesen Fällen mit der Empfehlung etwas offensiver: »Wäre ich Frau und hätte eine Hysterektomie gehabt, würde ich wahrscheinlich die Östrogene bis zur Urne nehmen, weil ich die positiven Effekte kenne und negative bei dieser Monotherapie kaum beschrieben sind.«
Die prophylaktische Gabe von Hormonen bereits vor Beginn der Wechseljahre, wie sie mitunter in den sozialen Medien diskutiert wird, hält Bühling für unsinnig. Einzige Ausnahme: Eine Frau kommt zu früh, also unter 40 Jahren, in die Wechseljahre (Climax praecox), etwa mit Mitte 30, dann seien Hormongaben sogar empfohlen.
Betrachtet man die Herkunft der Hormone, lassen sich sogenannte bioidentische Hormone von chemisch-synthetischen unterscheiden. Derzeit erlebten die bioidentischen Hormone wieder einen Run, so Bühling. Vergleiche man das hier eingesetzte natürliche Gestagen Progesteron mit einem chemisch-synthetischen Gestagen, so sei das Brustkrebsrisiko bei Einsatz des Ersteren ein klein wenig geringer. Leidet eine Frau unter Schlafstörungen, kann Progesteron den Schlaf verbessern, denn es macht bei oraler Gabe müde. Frauen müssen dann wissen, dass sie das Progesteron abends einnehmen sollen, um nicht unter Tagesmüdigkeit zu leiden.
Immer wieder beobachtet der Experte, weniger bei Kolleginnen und Kollegen, sondern mehr im außermedizinischen Bereich, die Durchführung sehr vieler kostspieliger Blut- oder Speichelentnahmen bei den Frauen, die eine HRT in Erwägung ziehen. Aus den gemessenen Werten soll dann ermittelt werden, welche Hormone in welcher Konzentration die Patientin braucht. Dabei würden häufig Fehler gemacht, die dann zu falschen Schlüssen führten. Zum einen seien Speichelmessungen sehr ungenau, diese seien eigentlich bereits in den 80er-Jahren abgeschafft worden, zum anderen zeigten Hormonwerte aus dem Blut stets nur eine Momentaufnahme. »Ich bin manchmal wirklich erstaunt, dass Patientinnen sagen, bei ihnen sei ein Progesteronmangel festgestellt worden, der aber auf meine Nachfrage daraus resultiert, dass die Blutentnahme nach der Menstruation stattgefunden hat.« Naturgemäß liegt der Progesteronspiegel bei Frauen in dieser Zyklusphase nahezu bei null. »Das dann zu behandeln, ist schlichtweg falsch«, konstatiert Bühling. Auch Fachgesellschaften empfehlen diese Hormonbestimmungen nicht.