Hormonersatztherapie wirkt – und ist sicherer als gedacht |
Verena Schmidt |
19.11.2024 16:00 Uhr |
Aktuelle Studien erlauben einen noch detaillierteren Blick auf die Therapie. Kanadische Wissenschaftler beispielsweise haben im vergangenen Jahr eine Übersichtsarbeit im »Canadian Medical Association Journal« veröffentlicht, in der sie unter anderem die neuesten Erkenntnisse zu Diagnose und Behandlung von Wechseljahresbeschwerden sowie Risiken und Vorteile verschiedener Therapien zusammenfassen.
Die HRT punkte zunächst mit ihrer Wirksamkeit, schreiben die Studienautoren: Eine Hormonersatztherapie reduziert Hitzewallungen bei bis zu 90 Prozent der Patienten mit mittelschweren bis schweren Symptomen. Sie verbessert außerdem die Blutfettwerte, könnte möglicherweise das Diabetesrisiko senken und sorgt für weniger Fragilitätsfrakturen der Hüfte, der Wirbelsäule und anderer Knochen. In einer anderen Untersuchung reduzierte eine Hormontherapie das Risiko für Darmkrebs.
Auf der anderen Seite stehen die Risiken, darunter ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, das jedoch bei Menschen im Alter von 50 bis 59 Jahren sowie bei Menschen, die in den ersten zehn Jahren der Menopause mit einer Hormonersatztherapie beginnen, geringer ist. Einige Studien haben auch ein erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall bei Frauen über 60 Jahren gezeigt, wenn sie zehn Jahre nach Beginn der Menopause mit der Therapie begonnen haben. Bei Frauen unter 60 ist das Risiko jedoch wiederum gering. Hinsichtlich des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse schreiben die Autoren, dass immer mehr Belege darauf hindeuteten, dass bei jüngeren Patientinnen sogar eine Verringerung koronarer Herzkrankheiten möglich ist. Das gelte insbesondere für Frauen, die mit einer Hormonersatztherapie vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause beginnen.
Inzwischen ist die HRT in der Fachwelt also rehabilitiert, sie gilt als effektivste Methode zur Behandlung klimakterischer Beschwerden. Nach der S3-Leitlinie sollen Gynäkologen vor allem Frauen mit starken Hitzewallungen und Schweißausbrüchen als Erstlinientherapie eine Hormonersatztherapie anbieten, wenn keine Risikofaktoren dagegensprechen. Auch bei Knochenschwund können Hormone helfen. Präventiv soll eine HRT allerdings nicht eingesetzt werden.
Die kanadischen Autoren schreiben, in Bezug auf ein mögliches Krebsrisiko müsse eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen werden, der Einsatz sei jedoch nach Ausschluss von Kontraindikationen möglich. Eine Anwendung unter fünf Jahren sowie transdermale Applikationsformen zeigen dabei die geringsten Risiken. Des Weiteren sollten Patientinnen ihre regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt wahrnehmen.
In der aktuellen S3-Leitlinie findet sich nicht mehr die Empfehlung, die HRT so kurz und so niedrig dosiert wie möglich durchzuführen. Sie sollte jedoch möglichst vor dem 60. Lebensjahr begonnen werden. Die Dauer der Therapie soll sich nach den Beschwerden richten. Ein Hinweis für die Patientinnen: Nach Therapieende können Hitzewallungen erneut auftreten. Allmähliches Ausschleichen der Hormone könnte das zumindest kurzfristig möglicherweise verhindern.
Für Patientinnen, für die eine HRT nicht infrage kommt oder die diese ablehnen, gibt es inzwischen auch eine wirksame nicht hormonelle Therapiealternative bei vasomotorischen Störungen: Fezolinetant ist ein Antagonist am Neurokinin-3-(NK3-)Rezeptor und greift in die Thermoregulation im Gehirn ein. Indiziert ist er zur Behandlung von moderaten bis schweren VMS in den Wechseljahren. Für Frauen mit einem Estrogenrezeptor-positiven Mammakarzinom, die aufgrund einer antiestrogenen Therapie oft unter massiven VMS leiden, wird Fezolinetant aktuell nicht empfohlen. Der mögliche Einsatz bei dieser Patientinnengruppe wird aber derzeit in Studien untersucht. Ein weiterer Vertreter der neuen Wirkstoffklasse, Elinzanetant, befindet sich aktuell in der Phase der klinischen Prüfung.