Hormonfrei gegen Hitzewallungen |
Katja Egermeier |
29.08.2024 16:00 Uhr |
Etwa ein Drittel der Frauen hat mittelstarke, ein weiteres Drittel schwere Beschwerden in der Menopause. Die wichtigsten Begleiterscheinungen rund um die letzte Blutung sind Hitzewallungen und Schweißausbrüche. / Foto: Getty Images/yacobchuk
Zur Linderung von vasomotorischen Symptomen (VMS) gilt die Hormonersatztherapie (HRT) bislang als die wirksamste Behandlungsmethode. Bei Kontraindikationen, Unverträglichkeit oder der prinzipiellen Ablehnung dieser gibt es allerdings nur wenige Alternativen. Meist beschränkt sich die Behandlung dann auf eine kognitive Verhaltenstherapie und auf pflanzliche Präparate wie Traubensilberkerze oder Phytoöstrogene (zum Beispiel Soja oder Rotklee) – jedoch mit variierender Wirksamkeit und Sicherheit. Das hat sich in diesem Jahr geändert, denn inzwischen ist ein neues, gut wirksames und hormonfreies Mittel gegen Hitzewallungen in Deutschland zugelassen. Ein zweites ist gerade in der Testphase.
Seit Februar dieses Jahres gibt es eine neuen, hormonfreien Therapieansatz: Fezolinetant (Veoza™). Das Präparat dient der Behandlung von moderaten bis schweren vasomotorischen Störungen in der Menopause und ist ein nicht-hormoneller selektiver Antagonist der Neurokinin-3 (NK3)-Rezeptoren, der spezifisch auf die thermoregulatorischen Zentren im Hypothalamus wirkt. Er ist damit der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse. Das IQWiG hat Fezolinetant vor Kurzem einen beträchtlichen Zusatznutzen bescheinigt.
Die empfohlene Dosis beträgt 45 mg (eine Filmtablette), die einmal täglich etwa um dieselbe Zeit mit oder ohne Nahrung, unzerkaut und mit Flüssigkeit eingenommen wird. Es gilt als gut verträglich, jedoch sollte die Leberfunktion im Blick behalten werden.
Fezolinetant gilt als Sprunginnovation und als hormonfreie Behandlungsoption bei vasomotorischen Symptomen auch für Frauen, die eine HRT ablehnen. Dass der Wirkstoff die HRT ablösen wird, wird jedoch als unwahrscheinlich angesehen, da bestimmte positive Effekte der HRT, wie beispielsweise der Knochenschutz, mit Fezolinetant nicht erreicht werden.
Und die Konkurrenz steht auch schon in den Startlöchern. Der nächste Östrogen-freie Kandidat heißt Elinzanetant und ist ein dualer Neurokinin-Rezeptor-Antagonist, der an zwei Rezeptoren im Gehirn wirkt. Auch dieser wirkt nicht hormonell und zeigt sich in den Daten zweier Phase-III-Studien so vielversprechend, dass der Hersteller Bayer bereits die Zulassung in den USA beantragt hat.
Laut der im Fachjournal Jama beschriebenen Studien verringert das Präparat die Häufigkeit und Schwere der mit der Menopause verbundenen Hitzewallungen signifikant. Die deutliche Verbesserung habe sich schon innerhalb der ersten Woche gezeigt. Dazu kommt: Elinzanetant verbessert auch den Schlaf und die Lebensqualität der Frauen. Wie Fezolinetant gilt auch Elinzanetant als gut verträglich. Die Nebenwirkungen – Kopfschmerzen und Müdigkeit traten am häufigsten auf – seien mild, so die Forschenden. Schwere Nebenwirkungen gibt es bisher keine.
Dass viele Frauen eine hormonelle Therapie scheuen, liegt Experten zufolge an dem mangelnden Wissen über und der Angst vor der Behandlung. Tatsächlich wurde die anfängliche HRT-Euphorie in den 60er-Jahren durch ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome zunächst gebremst. Die Entdeckung, dass dieses Krebsrisiko durch die zusätzliche Gabe von Gestagenen gesenkt werden kann, führte in den 90er-Jahren zu einer Hochphase für die HRT.
Der tiefe Fall folgte 2002 nach der Veröffentlichung der großen »Women’s Health Initiative Study« (WHI-Studie). Diese besagte damals, dass die HRT das Risiko für Brustkrebs, Thrombosen und Schlaganfälle erhöhe. Doch die Studie bedurfte einer Neuinterpretierung. Die Studienautoren selbst erklärten im Jahr 2016, dass eine Fehlinterpretation der Daten zu dem damaligen Ergebnis geführt habe.
Es passte weder das Durchschnittsalter der Studienteilnehmerinnen – es war mit 63,3 Jahren bei Beginn der Behandlung zu hoch, die Frauen hatten die Wechseljahre schon hinter sich. Einige der Frauen wiesen zudem ausgeprägte Herz-Kreislauf-Risiken auf, waren Raucherinnen oder hatten schwere Vorerkrankungen. Noch entsprachen die eingesetzten konjugierten Estrogene in Dosis und Applikationsweg den modernen Präparaten, stattdessen wurde ein in Europa unübliches Präparat in einer zu hohen Dosierung verwendet. In Deutschland wird schon seit Jahren das bioidentische 17β-Estradiol (E2) eingesetzt, das sich von dem damals verabreichten, konjugierten und aus Stutenurin gewonnenen Präparaten stark unterscheidet.
Aus diesen und weiteren Gründen gilt die Studie heute nur noch als eingeschränkt aussagefähig und die HRT erfährt seit einigen Jahren einen erneuten Aufschwung.