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Lichtverschmutzung

Keine dunkle Nacht

Immer mehr Kunstlicht erhellt immer stärker den Nachthimmel. Diese Lichtverschmutzung hat Folgen für Mensch und Natur.
Judith Schmitz
16.11.2021  12:00 Uhr

Bedingt durch die Erdrotation folgen Mensch, Tier und Pflanze einem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Es ist ein Wechsel zwischen hellem Tag mit einer maximalen Beleuchtungsstärke von 128.000 Lux und dunkler Nacht mit 0,0007 Lux bis maximal 0,3 Lux bei Vollmond.

Der Astronom, Physiker und ehemalige Leiter des Planetariums Osnabrück Dr. Andreas Hänel beobachtet mit Sorge, dass der zunehmende Einsatz von Kunstlicht diesen natürlichen Rhythmus abschwächt, und zwar indem es den Nachthimmel aufhellt, sobald das Kunstlicht in die Atmosphäre gestreut wird. Ursachen dieser Lichtverschmutzung können zum Beispiel Straßenlampen, Werbetafeln, Diskotheken-Skybeamer, Flutlichter von Sportplätzen oder auch die nächtliche Gartenbeleuchtung sein.

Seit gut 20 Jahren ist Hänel Sprecher von Dark Sky, einer Initiative gegen Lichtverschmutzung. Hänel versucht, über Öffentlichkeitsarbeit sowie Beratung von Städten und Gemeinden das Problem und seine Lösung öffentlich bewusst zu machen und Einfluss auf die Gesetzgebung hinsichtlich einer verbindlichen Regelung von Lichtemissionen im öffentlichen und privaten Bereich zu nehmen.

Viele Lichtquellen sind vermeidbar

Seine wichtigste Botschaft: Ein Großteil der Lichtverschmutzung ist vermeidbar. Denn schlecht konstruierte oder ineffektiv installierte Lichtquellen sind häufig die Verursacher. Diese problematischen Lichtquellen lassen sich abändern – gleichzeitig bleiben Straßen verkehrssicher. Hänel betont auch, dass heller nicht unbedingt gleich sicherer bedeute. Bislang gebe es keinen eindeutigen und belegbaren Zusammenhang zwischen künstlichem Licht und Sicherheit.

Was viele Kommunen nicht wissen: Es gibt keine allgemeine Beleuchtungspflicht durch ein Bundesgesetz für öffentliche Straßen, außer der Pflicht zur Beleuchtung an Fußgängerüberwegen (auf Anordnung der Straßenverkehrsbehörden) sowie Empfehlungen für Arbeitsstätten. Dies erlaube den Kommunen großen Handlungsspielraum beim Einsatz, aber auch beim Verzicht auf Straßenbeleuchtung, so Hänel. Kommunen und Fachbehörden könnten rechtssicher und wirksam die Lichtnutzung steuern und Lichtverschmutzung verhindern und zwar über das Satzungsrecht der Kommune, Festsetzungen im Bauleitverfahren, verbindlichen Vorgaben in Baugenehmigungen sowie über ihre jeweilige Lichtgestaltungssatzung.

Auf Bundesebene hätten Politiker das Problem der Lichtverschmutzung inzwischen zwar erkannt und die Lichtverschmutzung in das geänderte Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen. Teile davon treten allerdings frühestens im März nächsten Jahres in Kraft. »Das Bundesumweltministerium muss erst die technischen Regelungen erarbeiten, obwohl diese in der Fachwelt längst bekannt sind«, kritisiert Hänel.

Keine Sterne in Sicht

Die Folgen der Lichtverschmutzung betreffen etwa die Sternenkunde. Künstliches Licht kann Astronomen oder auch uns daran hindern, den Sternenhimmel zu sehen und beobachten zu können. In Ballungsräumen kann die nächtliche Sicht auf die Sterne durch die starke Lichtverschmutzung sogar unmöglich sein.

Die professionelle Astronomie aber ist ein wichtiger Teil der physikalischen Grundlagenforschung: Viele Vorgänge, die Forscher am Himmel beobachten können, können sie nicht im Labor nachstellen. Ohne die Erkenntnisse aus der Astronomie durch Himmelsbeobachtung wären die modernen Techniken zur Kommunikation und Navigation nicht entstanden und wir hätten nicht unseren jetzigen Kenntnisstand über den Kosmos.

Auch werde die Neugier und Begeisterung vieler junger Menschen für die Naturwissenschaften durch ihr Engagement als Hobbyastronomen geweckt, so Hänel. Dazu brauchen sie den Blick in den dunklen Nachthimmel. Im durch Kunstlicht aufgehellten Nachthimmel könnten sie nur schlecht etwas entdecken, ganz zu schweigen von den Aufhellungen beziehungsweise das Überleuchten von Sternen durch die stets zunehmende Zahl an Satelliten im Weltall.

Folgen für Natur und Mensch

Tagaktive Tiere und auch Menschen brauchen die Dunkelheit, um zu schlafen, zu entspannen und zu regenerieren. Menschen können natürlich die Rollläden runterlassen und sich so selbst Dunkelheit verschaffen. Wildlebende Tiere können das nicht. Mancherorts können sie der künstlichen Beleuchtung nicht mehr ausweichen, weil es dort keine Dunkelräume mehr gibt.

Nachtaktive Tiere gehen erst auf Nahrungssuche, wenn es dunkel ist. Glühwürmchen brauchen die Dunkelheit, um sich fortzupflanzen. Kunstlicht veranlasst beispielsweise Fledermäuse zu Umwegen, was sie Energie kostet, oder es vertreibt sie aus ihren Lebensräumen. Werden historische Bauwerke wie alte Kirchen nachts angestrahlt, geben manche Fledermäuse sie als Behausung auf. Und in nachts hell erleuchteten Städten ändern Singvögel ihre Aktivitätsphasen. Vögel meiden zudem nachts angestrahlte Bäume als Brut- oder Schlafplätze. Der Verlust der Nacht bedeutet somit auch den Verlust von Lebensraum. 60 Prozent der Insektenarten und 30 Prozent der Säugetierarten sind dämmerungs- und/oder nachtaktiv.

Für Pflanzen ist der Tag-Nacht-Rhythmus wichtig für die Fotosynthese. Werden Bäume nachts angestrahlt, behalten sie im Herbst länger ihre Blätter und können dadurch leichter erfrieren. Intensive Lampen, vor allem mit hohen UV-Anteilen (wie Quecksilber-Hochdruckdampflampen, deren Handel nicht mehr erlaubt ist) oder kaltweiße LEDs ziehen besonders stark Insekten an. Eine Folge: Die Insekten verenden an den Lampen durch ihr erschöpfendes Flattern.

Auch viele Menschen sind nachts zu viel Kunstlicht ausgesetzt: Etwa wenn sie nachts arbeiten. Auch im nächtlichen Straßenverkehr kann starkes Licht blenden. Unter bestimmten Umständen kann Kunstlicht sogar die Netzhaut der Augen schädigen, etwa wenn man in starke LED-Leuchten schaut. Nicht zuletzt hemmt Licht (abhängig von Faktoren wie Tageszeit, Expositionsdauer, Lichthelligkeit und Lichtfarbe) die Bildung des Schlaf- und Regenerationshormons Melatonin.

Problem LED

Durch die Umstellung von Glühbirnen auf LED-Lichtquellen wurden die Leuchtmittel energiesparender und der Lichteinsatz billiger. Die Folge: Wir Menschen setzen immer mehr und immer helleres Licht ein. Für bestimmte Arbeiten wird das Licht zwar benötigt. Aber in vielen Bereichen werde es nicht gebraucht, sehe aber schön aus, so Hänel.

Auch in Deutschland ist der Einsatz gestiegen, allerdings benutzen wir pro Kopf weniger Licht als viele andere europäische Länder. In den USA werde sogar viermal mehr Licht pro Einwohner verwendet als bei uns, sagt Dr. Christopher Kyba, Physiker am Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam.

Das Problem: Satellitenaufnahmen von der Erde bei Nacht zeigen zwar eine weltweite Zunahme nächtlicher Lichtverschmutzung. Verlässliche Daten zu den Ursachen, also den öffentlichen, gewerblichen und privaten Lichtquellen am Boden, fehlen aber oft und lassen sich auch nicht per Satellit ermitteln. Den aktuellen Stand der Beleuchtung zumindest in verschiedenen Orten Deutschlands und die Art der Beleuchtungsquellen möchte Kyba nun mit Kollegin Dr. Nona Schulte-Römer klären.

Wir zählen Lichter

Dazu haben sie gemeinsam mit interessierten Bürgern eine App entwickelt, mit deren Hilfe nun alle Lichtquellen in und an öffentlichen Straßen und Plätzen erfasst warden sollen. Bis Ende Oktober sind diese Nachtlichter-Kampagnen in mehreren Städten Deutschlands und im Ausland unter dem Slogan »Wir zählen Lichter, weil die Nacht zählt« gelaufen. Die Forscher sind nun dabei, die App-Daten mit Satellitenaufnahmen der lokalen Lichtemissionen abzugleichen und auszuwerten.

Eine beratende Funktion zur Beleuchtung von Städten und Dörfern haben die beiden Forscher vom GFZ nicht. Allerdings würde es Kyba begrüßen, wenn sich Stadt- und Gemeinderäte in ihren Beleuchtungskonzepten künftig nicht nur auf die öffentliche Straßenbeleuchtung beschränkten, sondern auch Gewerbetreibende und Privathaushalte mit einbezögen.

Ein Positivbeispiel ist die erste Sternenstadt Deutschlands: Fulda. Die hessische Stadt macht sich gegen Lichtverschmutzung stark. Künstliches Licht soll standort- und bedarfsgerecht eingesetzt werden. So werden etwa neue öffentliche Beleuchtungsanlagen mit einer zeitlichen Steuerung zum Dimmen und Abschalten von LED-Leuchten ausgestattet. Eine eigene Richtlinie gilt zwar verpflichtend nur für den öffentlichen Bereich. Die Stadt hofft aber, dass auch Privatpersonen freiwillig mitmachen und bietet Beratungen zum Thema an.

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