Kinderzähne in Gefahr |
Bei bleibenden Zähnen kommt es hingegen auf die Zeit an. Größere Fragmente oder der ausgeschlagene Zahn sollten gesucht, in Flüssigkeit gelegt und schnellstmöglich zum Zahnarzt gebracht werden. Die Zahnwurzel darf keinesfalls berührt werden, der Zahn weder gereinigt noch desinfiziert werden. »Damit er wieder eingepflanzt werden kann, muss er feucht gelagert werden«, so Schiffner. Im Idealfall ist eine Zahnrettungsbox griffbereit. Sie enthält ein ideales Nährmedium, damit möglichst viele sogenannte desmodontale Zellen überleben. Denn von ihnen hängt ab, ob eine erneute Einsetzung Erfolg hat oder nicht. Sportvereine, Kindergärten und Schulen sollten immer eine Box griffbereit haben.
Über Plan B scheiden sich die Geister. Laut aktueller Leitlinie ist notfalls auch haltbare Milch, isotone Kochsalzlösung oder Ringerlösung geeignet, gegebenenfalls sogar Speichel. Dieser ist aufgrund der Verkeimung allerdings wirklich nur eine Notlösung und im Mund dürfe der ausgeschlagene Zahn aufgrund der Verschluckungsgefahr natürlich nicht aufbewahrt werden. »Wenn der Zahn länger als zwei Stunden trocken gelagert wurde, ist die Zukunft ungewiss«, so Schiffner. Die allerbeste Lösung ist natürlich die Prävention, also das konsequente Tragen eines Sportmundschutzes bei Kontaktsportarten.
Doch auch Zucker wird zum Verhängnis, besonders wenn zusätzlich die Mundhygiene zu wünschen übrig lässt. Am besten trinken Kinder nur ungesüßte Flüssigkeiten, ideal ist hierbei Wasser. Kritisch sei nach Erfahrung des Experten auch das ständige Nuckeln an der Flasche oder einem Quetschie. Ebenfalls keine gute Idee seien zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten, und auch der Zucker zu den Hauptmahlzeiten sollte reduziert werden.
»Bei kleinen Kindern sind braune Flächen an den Milch-Frontzähnen ein Hinweis auf Saugerflaschenkaries«, erklärt Schiffner. »Bei anderen Zähnen erkennen Eltern Karies als braunes Loch – also dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist.« Denn bei einem Milchzahn ist die Karies dann schon so weit fortgeschritten, dass sie den Nerv erreicht hat. Bei fortgeschrittener Karies bleibt bei Kleinkindern oft nur eine Behandlung in Vollnarkose.
Frühere Stadien der Karies, sogenannte Initialkaries, ist hingegen weiß und kann – rechtzeitig entdeckt und behandelt – gestoppt werden. »Kinder sollen also ab dem ersten Zahn frühzeitig und regelmäßig zum Zahnarzt gehen«, betont Schiffner. Er wisse, dass diese Empfehlung häufig zu Verwunderung führt, da mit rund sechs Monaten ja noch gar keine Karies und Behandlungsbedarf bestehen könne. Doch genau deshalb gebe er diese Empfehlung. Denn Vorsorge sei besser als Nachsorge – und obendrein werden Kindern unangenehme Behandlungen erspart und der Besuch beim Zahnarzt wird gar nicht erst zum mit Angst besetzten Ereignis.
Auch wenn kariöse Milchzähne irgendwann ausfallen und Eltern wie Kinder bei den bleibenden Zähnen danach alles besser machen wollen, sollten Eltern bereits gut auf die Milchzähne Acht geben. Denn Zähne erfüllen vielfältige Aufgaben: »Wir wollen dem Kind das Schmerzerlebnis, im sozialen Kontext auch Hänseleien im Kindergarten ersparen und nicht zuletzt eine normale Ernährung gewährleisten.« Denn es sei mittlerweile wissenschaftlich belegt, dass Kinder mit schlechtem Zahnstatus auch nicht normal zunehmen. Und je besser bereits bei Milchzähnen eine gute Mundhygiene etabliert wird, desto einfacher wird diese auch bei den Bleibenden beibehalten und umgesetzt.
Karies beginnt mit einer zunächst reversiblen Demineralisierung des Zahnschmelzes. Fluorid ist in der Lage, das Gleichgewicht von der Demineralisierung hin zur Remineralisierung zu verschieben. Seit 2021 konnten sich Zahnärzte und Kinderärzte auf einheitliche Empfehlungen einigen. Seitdem gilt: Im ersten Lebensjahr dürfen Eltern auswählen, ob sie ab dem ersten Zahn eine fluoridhaltige Zahnpasta oder lieber Fluorid-Tabletten verwenden. Spätestens ab dem ersten Geburtstag soll es dann aber eine Zahnpasta mit 1000 ppm Fluorid sein. Diese Konzentration ist notwendig, um einen ausreichenden Karies-hemmenden Effekt zu gewährleisten. Im Handel werden teilweise noch Baby-Zahnpasten mit 500 ppm abverkauft. Diese würden aber vor allem bei Kindern mit hohem Kariesrisiko nicht ausreichend schützen, bei denen es besonders wichtig wäre.
Bis zum zweiten Geburtstag soll es gemäß Empfehlung zweimal täglich eine Reiskorn-große Menge Zahnpasta sein, danach zwei- bis dreimal täglich eine erbsengroße Menge. Zusätzlich tragen Zahnärzte in regelmäßigen Abständen einen fluoridhaltigen Lack auf die Zähne auf, um das Kariesrisiko weiter zu senken. Wenn sich Eltern an die Empfehlung halten und die Zahnpasta entsprechend dosieren, ist die Sorge vor einer Fluorid-Überdosierung unnötig. Denn die Sicherheitsmarge ist so groß, dass eine sogenannte Fluorose nicht entsteht. »Dies zeigen uns Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen die Kinderzahnpasta mit 1000 ppm Fluorid schon lange Zeit verwendet wird«, so Schiffner.
Ganz verhindern kann Fluorid Karies aber nicht. Es ist eine wichtige Säule neben der gründlichen mechanischen Reinigung und gesunden Ess- und Trinkgewohnheiten. Erst weit im Grundschulalter können Kinder gründlich genug selbst putzen. Bis dahin lautet die Devise: Kinder dürfen und sollen gerne selber schrubben, die Eltern putzen nach.